„Krankheit, Sterben und Tod lassen sich in diesem langen Jahr nicht wegdrücken, sie schneiden tief ein in das Leben vieler Menschen”, predigte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, am vergangenen Sonntag im ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken an die Toten der immer noch wütenden Pandemie. Er fand Worte des Trostes und des Vertrauens, die für viele Menschen stützend sein können in dieser schweren Zeit: „Und wir – miteinander und in Verantwortung füreinander – finden heraus aus dieser Pandemie. Denn Gott geht mit uns. Wir dürfen gespannt sein.“ – doch wo ist Gott in all dem Leid? Hat er sich von uns abgewendet? Schläft er? Will er das Leid? – … dieser Gott, den wir als barmherzig, gnädig, langmütig und reich an Huld und Treue preisen (vgl. Exodus 34,6).
Wach auf! Warum schläfst du, Herr? Erwache, verstoß nicht für immer! Warum verbirgst du dein Angesicht, vergisst unser Elend und unsre Bedrückung? Unsere Seele ist in den Staub gebeugt, unser Leib klebt am Boden. Steh auf, uns zur Hilfe! In deiner Huld erlöse uns!
Wie lange noch, HERR, vergisst du mich ganz? Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht vor mir? Wie lange noch muss ich Sorgen tragen in meiner Seele, Kummer in meinem Herzen Tag für Tag?
Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bleibst fern meiner Rettung, den Worten meines Schreiens? Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; und bei Nacht, doch ich finde keine Ruhe.
Nicht erst seit Jahrhunderten, sondern seit Jahrtausenden beten Menschen so zu Gott in ihrer tiefsten Not. Mit den Psalmen –die gemäß unserem Glauben von Gott inspiriert sind, damit wir mit ihnen zu IHM beten – dürfen wird Gott anklagen und uns beklagen. Das Buch der Psalmen lehrt uns, dass Schweigen in der Not gotteslästerlich wäre. In Angst, Wut, Not und dem Leid der Pandemie ist Gottvertrauen keine Selbstverständlichkeit. Wo ist Gottes Barmherzigkeit?
Aus der Klage und der Notschilderung erwächst die Bitte, die doch nicht anderes ist als der Wunsch nach einer glückenden Beziehung zwischen Gott und Mensch. In dieser Beziehung finden Menschen seit Ewigkeiten den Trost und das Vertrauen, die sie zum Leben benötigen. Die Psalmen bezeugen uns, dass Gott (er)hört und dass er sich bewegen lässt. Vielleicht wäre es gut, wenn wir als Kirche in diesen Zeiten, die für viele Menschen durch Einsamkeit und Trauer geprägt ist, als Anwalt der Menschlichkeit auftreten und Gott anklagen. Das notwendige Vertrauen dazu lehren uns ebenso die Psalmen:
Ich habe laut zum HERRN gerufen; da gab er mir Antwort von seinem heiligen Berg. Ich legte mich nieder und schlief, ich erwachte, denn der HERR stützt mich.
Gott lässt mit sich reden – aber wir müssen auch das Wort ergreifen und ihn beim Wort nehmen.1)
Bildnachweis
Titelbild: “Wütend” fotgrafiert von Engin_Akyurt. Lizenz: Pixabay Lizenz.
Einzelnachweis
1. | ↑ | Mehr zu den Klagen in den Psalmen gibt es hier: “Mit den Psalmen das Klagen lernen“, Till Magnus Steiner, katholisch.de. |