Kapitel
Disput·Ecclesiastica·Ethica

Das Kartenhaus Ein Essay über die Ambivalenz des Heiligen


den Artikel
vorlesen lassen

Das Bild der einen und heiligen Kirche ist beschädigt. Zwischen der ekklesialen Selbstwahrnehmung und dem Anspruch, Sakrament des Heils für die Welt zu sein1), und dem Bild, das die Kirche in der Welt von heute abgibt, klaffen tiefe Gräben. Der schöne Schein der Heiligkeit zerbricht. Die im weihevoll verliehenen Amt behauptete Sakramentalität der Kirche wird immer dann Lügen gestraft, wenn kirchliche Amtsträger selbst den eigenen Worten nicht die dazu passenden Taten folgen lassen, wenn Reden und Handeln so divergieren, dass sie sich selbst entwürdigen und als Heuchler entlarven. Wie ein aus den Tiefen der Erde herangrollendes Beben zeigt die Heiligkeit der Kirche immer mehr Risse. Es begann wahrscheinlich nicht erst im Jahr 2009. Die Spannungen im Untergrund bauten sich viel früher auf2). Im Jahr 2010 aber bebten mit dem Offenlegen des Missbrauchsskandals durch den Jesuitenpater Klaus Mertes die Fundamente der Kirche so stark, dass selbst die beschönigenden Beschwichtigungen, die heilige Kirche bestehe halt aus Sündern, wohl nur noch die Frömmsten einigermaßen beruhigen konnte. Mit dem Trierer Bischof Stefan Ackermann setzte die Deutsche Bischofskonferenz einen Sonderbeauftragten für Missbrauchsfälle ein, viele (Erz-)Bistümer entwickelten Präventionskonzepte, schufen Stellen mit Ansprechpartnern für Betroffene und verpflichteten hauptberufliche wie ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Präventionsschulungen. Nur die Verantwortung für die Missetaten wollte niemand so Recht übernehmen. Während der ehemaligen evangelischen Landesbischöfin und Vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann eine Alkoholfahrt zum Rücktritt gereichte, sahen und sitzen römisch-katholische Bischöfe weiter weihevoll auf ihren Cathedrae.

Ekklesiale Wurstigkeiten

Eine offenkundig traditions-bewährten ekklesialen Salamitaktik folgend wurden Konsequenzen nur im Falle unabweisbaren Fehlverhaltens gezogen. Der frühere Bischof von Augsburg, Walter Mixa, musste, nachdem offenbar wurde, dass er als Pfarrer Heimkinder geschlagen hatte, uneinsichtig bleiben – er selbst tat sein Fehlverhalten als entschuldbare Lappalie ab, zum Rücktritt gedrängt werden3). Auch der ehemalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst trat erst zurück, nachdem er nachweislich beim Lügen erwischt und ihm Verschwendung nachgewiesen werden konnte4). Die, die besonders gerne die Notwendigkeit der Buße und Umkehr predigen, sind selbst offenkundig nicht in der Lage, sich ehrlich zu machen. Und so wurstelt sich die Kirche durch eine Krise, die nicht aufhören wird, wenn sich die, die sich selbst zu Angesehenen machen und sich mit Titel schmückend gerne mit Eminenz und Excellenz anreden lassen, nicht ihrer Verantwortung stellen. Es gehört zu den Grundaxiomen jeder menschlichen Kommunikation, dass man nicht nicht kommunizieren kann5). Krisenmanagement durch Schweigen und Nichtagieren zwingt zur ständigen Reaktion auf das, was nicht mehr verschwiegen werden kann. Trunken von ihrer selbstbehaupteten Heiligkeit aber sind die, die in der Kirche Verantwortung tragen, offenkundig auch nach den ersten Beben nicht in der Lage, sich dieser Verantwortung auch zu stellen. Als die am 24. September 2018 veröffentlichte Mit herzlichen Grüßen,-Studie6), die von der Deutschen Bischofkonferenz (DBK) in Auftrag gegeben worden war, den massiven und fortgesetzten Missbrauch von Klerikern an Kindern und anderen Schutzbefohlenen offenlegte, lag die Frage nach Konsequenzen derart in der Luft, dass sie auf der Pressekonferenz vom 25. September 2018, in der die Missbrauchsstudie vorgestellt wurde, von der Deutschlandfunk-Journalistin Christiane Florin offen gestellt wurde. Die auf dem Podium sitzenden Bischöfe Reinhard Kardinal Marx als Vorsitzender der DBK und der Sonderbeauftragte für Missbrauchsfälle Stefan Ackermann fassten sich zwar in einer Übersprunghandlung vielsagend an die eigene Nase7) antworteten aber zuvor rasch und spontan mit „Nein“ auf die Frage, ob einer der bei der Vollversammlung der DBK anwesenden 60 Bischöfe schon persönliche Konsequenzen aus der Studie gezogen hätte. Es ist, als haben die heiligen Männer nicht gemerkt, dass die Säulen der Heiligkeit immer mehr zu Schutt und Asche zerbröseln. Wer soll ihnen eine frohe Botschaft glauben, die sie selbst im Leben nicht verwirklichen? Wer soll denen, die ständig die Umkehr zur Befreiung von der Sünde predigen, glauben, wenn sie selbst nicht zum Bekenntnis in der Lage sind? Je öffentlicher Schuld und Verantwortung sind, desto weniger hilft es, im geschlossenen Raum der Beichte Vergebung zu erlangen. Gott gewährt sie dort sicher. Nicht aber das Forum einer Welt, vor deren Augen der Schein der Heiligkeit immer mehr verblasst. Wann, ihr Herren, werdet ihr endlich begreifen, dass Heiligkeit kein unauslöschliches Prägemal ist, das man einem Orden gleich, eingesalbt bekommt, sondern eine Haltung, ein Tätigkeitswort, eine Verpflichtung, für die Rechenschaft vor dem Heiligsten abzulegen ist?

Schrecken ohne Ende

Das Volk Gottes steht erschüttert vor den Trümmern einer ehemals heiligen Kirche. Für was sollen die Menschen das halten, was da vor den Augen der Welt geschieht? Der Schrecken nimmt kein Ende. Immer neue Verfehlungen Verantwortlicher tauchen aus den Tiefen der klerikaler Unterwelten auf – aktuell etwa der Fall eines mehrfach rechtskräftig wegen Missbrauchs verurteilten Priesters aus dem Erzbistum Köln, der erst in das Bistum Münster, dann wieder in das Erzbistum Köln versetzt wurde und schlussendlich im Bistum Essen trotz seiner strafrechtlichen Verurteilungen weiterarbeitet. Der WDR-Journalist Theo Dierkes macht in einem am 17. November 2019 im Rahmen der Sendung „Diesseits von Eden“8) nicht nur deutlich, wie leicht die für diesen Täter verantwortlichen Personalchefs, Generalvikare und (Erz-)Bischöfe anhand einer einfachen Google-Suche zu recherchieren sind; er führt auch aus, dass mindestens elf von ihnen Bischöfe, teilweise noch im aktiven Dienst sind. Einige der Nachfolger der Apostel erkennen offenkundig die eschatologischen Konsequenzen ihres Verhaltens, kennen sie doch sicher die Mahnung Jesu an die Pharisäer:

Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das heißt vor der Heuchelei! 2 Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird. 3 Deshalb wird man alles, was ihr im Dunkeln redet, im Licht hören, und was ihr einander hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert, das wird man auf den Dächern verkünden. Lukas 12,1-3

Vita reactiva

Die Fehler vieler Bischöfe werden offenbar. Es gibt nichts mehr zu verbergen. Das Auge der Welt ist wachsam und lässt sich nicht mehr blenden. Keine Capa magna kann die hohle Heiligkeit mehr verbergen. Die Zeit offensiven Agierens und Umgehens mit der Wahrheit ist vorbei. Der Point of no return ist überschritten. Nun können die heiligen Männer nur noch reagieren. Vielen fehlt aber auch jetzt noch die Haltung hierfür. Nur wenige äußern sich – und wenn dann meist verhalten. Der frühere Hamburger Bischof Werner Thissen hatte zuerst den Mut, sich zu bekennen und schwere Fehler einzuräumen9). Ihm folgte der ehemalige Limburger Bischof Franz Kamphaus, nach unabweisbarer Feststellung eines Missbrauchsfalls im Bistum Limburg10). Später äußerte sich auch der Münsteraner Bischof Felix Genn zu dem Fall des mehrfach verurteilten Priesters und übernahm öffentlich die Verantwortung, fiel die Wohnsitznahme des Täters in Bochum-Wattenscheid doch in Genns Zeit als Bischof von Essen11). Schließlich bat auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki um Vergebung wegen des Umgangs mit Missbrauch12). Am weitesten aber trat der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck aus der Masse der Verantwortungsscheuen hervor, der sich am 24. November 2019 persönlich den Fragen der Gemeinde in Bochum-Wattenscheid stellte, in der der mehrfach verurteilte Priester zuletzt wohnte und tätig war13). Das könnte ein Beispiel für ein offensives Krisenmanagement werden, das offensiv mit der Krise umgeht und agiert statt bloß zu reagieren. Wer nur reagiert, hat das Heft des Handelns längst aus der Hand gegeben. Er bezeugt nicht mehr, er wird verhandelt. Der Gerichtshof der Welt ist unerbittlich.

House of Cards

Ein offener Bischof stellt noch keine Säule für eine Kirche dar, deren Fundamente rissig geworden sind. Alle anderen Bischöfe schweigen bisher oder bleiben, auch wenn sie sich wortreich entschuldigen und Verantwortung übernehmen, im Amt. Die letzte Konsequenz, die der Glaubwürdigkeit und Heiligkeit der Kirche ihre Würde zurückgeben könnte, wird offenbar gescheut. Was lässt diese Männer fest auf ihren Cathedrae sitzen? Ist es immer noch das Bewusstsein, in der Weihe das unauslöschliche Prägemal erhalten zu haben, dass sie zu Repräsentanten Christi als des Hauptes der Kirche macht? Kann man aber Christus repräsentieren, wenn man seine Worte nicht ernst nimmt – jene Worte, die nicht nur den Tätern, sondern auch den Vertuschern in den Ohren klingen sollten:

Es ist unvermeidlich, dass Ärgernisse kommen. Aber wehe dem, durch den sie kommen! Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als dass er für einen von diesen Kleinen zum Ärgernis wird. Seht euch vor! Wenn dein Bruder sündigt, weise ihn zurecht; und wenn er umkehrt, vergib ihm! Und wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will umkehren!, so sollst du ihm vergeben. Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan. Lukas 17,1-9

Wissen die heiligen Männer mit den violetten und roten Schärpen, dass sie immer noch Knechte sind, von denen bisher kein einzige einen Maulbeerbaum auch nur einen Millimeter in die Höhe heben konnte? Sie mögen zurechtgewiesen haben und voreilig vergeben – voreilig, weil die Umkehr bei den Tätern fehlte. Ein „Weiter so!“ ist eben keine Umkehr! Das Haus voll Glorie, von dem man den Schmutz der Welt fernhalten wollte, haben sie so zu einem Kartenhaus gemacht, bei dem nun ein leichtes Lüftchen genügt, um es zu zerstören. Hört! Es rauscht schon …

Lippenbekenntnisse mit Herpes

Der schöne Schein hat seine Tücken. Das musste schon Petrus erfahren, der – und davon zeugen die Evangelien – mit dem Mund oft schneller war, als mit dem Verstand, ein impulsiver Mann, ein Fels mit fragilem Innenleben, eine laute Stimme mit kleinem Herzen. Dieser Mann musste wohl viel lernen in seinem Erdenleben – und das, wie die berühmte Antiochener Zwischenfall, von der Paulus berichtet, auch in der nachösterlichen Zeit, als er aus Angst vor den Leuten des Jakobus die eigentlich beschlossene Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen aufkündigt (vgl. hierzu Galater 2,11-21). Menschen können sich offenkundig nicht fundamental ändern. Und so verwundert es nicht, dass die Zauderhaftigkeit des Petrus schon in jener berühmten Szene offenbar wird, auf die die römisch-katholische Tradition nicht weniger als das Papsttum begründet:

Als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger und sprach: Für wen halten die Menschen den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein. Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei. Matthäus 16,13-20

Die Szene ist einfach zu wunderbar. Man sollte sie so stehen lassen und die Inthronisation des Petrus in große Buchstaben in den Petersdom schreiben. Ach – das hat man ja schon getan …

Verwunderlich ist allerdings, dass die Angst vor den Pforten der Unterwelt bei vielen Frommen so groß ist, dass sie einen Zeitgeist fürchtend alles bekämpfen, was die Autosuggestion des heiligen Scheins der Kirche gefährden könnte. Dass es weniger der Zeitgeist ist, der die Heiligkeit der Kirche gefährdet, sondern die Auserwählten selbst, wird nämlich im unmittelbaren Fortgang der Erzählung offenbar, die nur selten im Zusammenhang mit dem Messiasbekenntnis des Petrus verkündet wird:

Von da an begann Jesus, seinen Jüngern zu erklären: Er müsse nach Jerusalem gehen und von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten vieles erleiden, getötet und am dritten Tag auferweckt werden. Da nahm ihn Petrus beiseite und begann, ihn zurechtzuweisen, und sagte: Das soll Gott verhüten, Herr! Das darf nicht mit dir geschehen! Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Matthäus 16,21-23

Domine_quo_vadis
Domine, quo vadis? - Herr, wohin gehst Du?, fragt selbst der altgewordene Petrus immer noch ...

Ein Ende mit Schrecken

Das großartige Messiaszeugnis des Petrus wird schnell als Lippenbekenntnis mit Herpesbefall entlarvt. Die bloße Ankündigung, dass die Heiligkeit erst in Blut, Schweiß und Tränen offenbar werden kann genügt, dass der Knecht es wagt, seinen Herrn zurechtzuweisen. Die Aussicht, dass sich die Heiligen wie der Allerheiligste entäußern und in den Erdendreck der Welt gehen müssen, genügt, um den Plan Gottes zu durchkreuzen, indem man den eigenen Willen zum Willen Gottes erhebt. Hier offenbart sich das Satanisch, das Teuflische jener Macht, in der sich die sonnen, die glauben, die alleinige Befugnis zum Binden und zum Lösen zu haben. Sie übersehen die kritische Distanz, die Jesus selbst ihnen auferlegt. Sie übersehen, dass die Kirche nur dann heilig sein kann, wenn sie sich offen dem stellt, was geschehen muss. Solange sie eine Heiligkeit polieren, die sie selbst machen, stehen sie Jesus, dem Christus schlicht im Weg. Der harsche Satz

Tritt hinter mich, du Satan! Ein Ärgernis bist du mir, denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen. Matthäus 16,23

gilt heute ihnen. Hören sie ihn überhaupt? Ziehen sie die Konsequenzen daraus? Oder bleiben sie ein Ärgernis, ein σκάνδαλον (gesprochen: skándalon)?

Die Therapie der Selbstverleugnung

Jesus selbst hält die Therapie bereit, die auch einem Petrus neue Perspektiven eröffnen kann:

Darauf sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und dann wird er jedem nach seinen Taten vergelten. Matthäus 16,24-27

Die eigene Heiligkeit kann nur gewinnen, wer Jesus in der Selbstentäußerung und Selbstverleugnung nachfolgt. Wer aber an seiner eigenen Ehre, an dem schönen, eminenten und exzellenten Schein hängt, wird seinen Lohn in diesem Leben schon erhalten haben. Was wird es diesen Menschen nützen, wenn sie ihr Knechtsein wie Herren ausgelebt haben. Der Missbrauch hat in diesem substantiellen Missverständnis der eigenen Auserwähltheit seine Wurzeln. Ein Knecht aber, der seinen Herrn zurechtweist, hat in Jesu Augen nicht das im Sinn, was Gott will. Was zögert ihr noch, ihr hohen Herren, die ihr Verantwortung habt? Tragt sie endlich und handelt ihr entsprechend. Sonst erscheint ihr verantwortungslos ohne die Verantwortung in den Augen Gottes loszuwerden. Wenn ihr sie aber loswerden wollt, hilft, mit den Worten Jesu gesagt, nur eines:

Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gehängt und er in der Tiefe des Meeres versenkt würde. Wehe der Welt wegen der Ärgernisse! Es muss zwar Ärgernisse geben; doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt! Wenn dir deine Hand oder dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Es ist besser für dich, verstümmelt oder lahm in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen und zwei Füßen in das ewige Feuer geworfen zu werden. Und wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus! Es ist besser für dich, einäugig in das Leben zu kommen, als mit zwei Augen in das Feuer der Hölle geworfen zu werden. Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters. Matthäus 18,6-10

Umkehr ist möglich, selbst für Würdenträger. Ihr redet doch soviel und so gerne davon; ihr könntet euren Worten selbst Taten folgen lassen. Es würde der Glaubwürdigkeit der Kirche dienen. Vielleicht könnte sie mit dieser Buße wieder heilige Kirche sein. Prüft euch selbst und fällt Urteil über euch und eure Verantwortlichkeiten, bevor es andere tun: Ist es nicht besser, ohne Amt in das Himmelreich zu gelangen, als mit einem Amt, dessen Heiligkeit längst zerbrochen ist?

Empfehlen Sie diesen Artikel weiter
  • Share this on WhatsApp
  • Share this on Linkedin
Wenn Sie über die Veröffentlichung neuer Texte informiert werden möchten. schicken Sie bitte eine E-Mail, mit dem Betreff „Benachrichtigung“, an mail@dei-verbum.de

Bildnachweis

Titelbild: Gambling (.marps) – Quelle: photocase – lizenziert mit photocase Basislizenz 6.0.

Bild 1: Domine, quo vadis (Annibale Caracci) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. hierzu die dogmatische Konstitution „Lumen gentium“ (LG) des 2. Vatikanische Konzils: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit.“ (LG 1) – Quelle: http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19641121_lumen-gentium_ge.html [Stand: 24. November 2019].
2. Vgl. hierzu die am 18.2.2019 bei Domradio.de veröffentlichte Chronologie der Missbrauchskrise „Zwischen ‚schweren Fehlern‘ und ‚schwerwiegenden Fällen‘“ unter https://www.domradio.de/themen/ethik-und-moral/2019-02-18/zwischen-schweren-fehlern-und-schwerwiegenden-faellen-eine-chronologie-der-missbrauchskrise [Stand: 24. November 2019].
3. Vgl. hierzu Matthias Dobrinski, Ein Bischof am Abgrund, in: Süddeutsche online, 20.5.2010, Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/walter-mixa-tritt-zurueck-ein-bischof-am-abgrund-1.934263 [Stand: 24. November 2019].
4. Vgl. hierzu etwa Peter Wensierski, Das Lügen-Gebäude des Bischofs, in: Siegel online, 26.3.2014, Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/tebartz-van-elst-ruecktritt-boschof-und-das-luegen-gebaeude-von-limburg-a-960985.html [Stand: 24. November 2019].
5. Vgl. hierzu Paul Watzlawick, Janet H. Beavin, Don D. Jackson, Menschliche Kommunikation, Bern 1969, S. 53.
6. Im Internet verfügbar unter https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/dossiers_2018/MHG-Studie-gesamt.pdf [Stand: 24. November 2019].
7. Das entsprechende Video (Szene bei etwa 1:41:00) ist hier verfügbar: https://youtu.be/4TyUbTsYnz8?t=6060 [Stand: 24. November 2019].
8. Vgl. hierzu https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5/wdr5-diesseits-von-eden/audio-elf-bischoefe-wussten-davon-100.html [Stand: 24. November 2019]; der Mitschnitt des Kommentars ist unter https://wdrmedien-a.akamaihd.net/medp/podcast/weltweit/fsk0/204/2047413/wdr5diesseitsvoneden_2019-11-17_elfbischoefewusstendavon_wdr5.mp3 [Stand: 24. November 2019] verfügbar.
9. Siehe hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/missbrauch-erzbischof-werner-thissen-raeumt-schwere-fehler-ein/ [Stand: 24. November 2019].
10. Siehe hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/bistum-limburg-fall-von-sexuellem-missbrauch-wurde-vertuscht/ [Stand: 24. November 2019].
11. Siehe hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/bischof-genn-ich-uebernehme-verantwortung-fuer-meine-fehler/?fbclid=IwAR3hRb8OZelUCVRkIsqJwmv31vCHpAh7dnan5yZ8Nvz3uouc7RDFFXOg8O0 [Stand: 24. November 2019].
12. Siehe hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/woelki-bittet-um-vergebung-wegen-umgangs-mit-missbrauch/ [Stand: 24. November 2019].
13. Siehe hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/overbeck-einsatz-von-missbrauchs-priester-war-unverantwortlich/ [Stand: 24. November 2019].
Weitere Beiträge: