Kapitel
Disput

Ehe bleibt anders Ein neutestamentlicher Überblick zu neuen Fragen

In den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, reichte das ausgesprochene oder geschriebene Wort, um den Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen. Mantraartiges Beschwören änderte dann den Lauf der Dinge. Und Gegenbeschwörungen stellten ihn wieder her. In den alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, brauchte es nicht der Anstrengung von Begründung und Argumentation, denn die Wirklichkeit war ein Märchen.

Vielen erscheint auch die gegenwärtige Wirklichkeit der Kirche wie ein Märchen. Der neue kommunikative Stil von Papst Franziskus ist eine Ermutigung zum offenen Diskurs. Das gilt insbesondere für den Bereich von Ehe, Familie und Sexualität, der im Oktober 2014 bei der außerordentlichen Bischofssynode in Rom beraten wurde, und der auch im Mittelpunkt der im Oktober 2015 anstehenden XIV. ordentlichen Generalversammlung der Bischofsynode im Vatikan stehen wird.

Wunschzeiten

Das Thema ist brisant. Vieles, was bisher nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wurde, darf nun offen diskutiert werden. Hierbei wird auch die Macht des Wünschens wieder beschworen und löst nicht selten die Reaktion des Gegenwunsches aus.

Tatsächlich verändert sich manches. So haben die deutschen Bischöfe am 27. April 2015 in der Novellierung der Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechtes

„die kirchenspezifischen Anforderungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst“1).

Die kirchliche Lehre von Ehe und Familie bleibt unangetastet. Wohl aber wird die individuelle Lebenssituation vom kirchlichen Arbeitsrecht her abhängig von verschiedenen Loyalitätsgraden gewichtet.

Wenige Tage später hat nun das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) die Erklärung „Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen – Familie und Kirche in der Welt von heute“2) veröffentlicht. Darin wird zwar grundlegend der Wert der sakramentalen Ehe betont. Gleichzeitig spricht man von ihr aber als „Modell für eine lebenslange Bindung“. Einem Modell kommt keine Exklusivität zu. Dementsprechend fordert die Erklärung deshalb auch bei aller Betonung der Notwendigkeit einer Stärkung und Förderung von Ehe und Familie die Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre „im Dialog mit den Gläubigen unter Einbeziehung ihrer jeweiligen Lebenswelt“3). Konkret bedeutet das:

„Als den Menschen, ihren Sorgen und Hoffnungen zugewandte Kirche sind wir beauftragt, uns mit Zuversicht auf die Gegenwartsgesellschaft mit vielfältigen sozial anerkannten Lebensformen einzulassen und selbst zu Brückenbauerinnen und Brückenbauern zwischen Praxis und Lehre zu werden.“4)

Dass hier unter „Lebensformen“ keine extraterrestrischen Spezies zu verstehen sind, wird im Folgetext  entfaltet. Es geht nicht bloß um die faktische Anerkennung der Lebensweisen, die von der Lehre der Kirche bisher verworfen wurden; die Anerkennung soll auch einen liturgischen Ausdruck finden in einer

„Weiterentwicklung von liturgischen Formen, insbesondere Segnungen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, neuer Partnerschaften Geschiedener und für wichtige Weichenstellungen im Familienleben“5).

Es verwundert nicht, dass dem Wunsch sofort der Gegenwunsch folgt. Zahlreiche Bischöfe äußern sich scharf gegen die Erklärung des ZdK6); so stellt etwa der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Münchener Erzbischof Reinhard Kardinal Marx fest:

„Die Forderung nach einer Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und einer zweiten kirchlich nicht anerkannten Ehe ist mit Lehre und Tradition der Kirche nicht vereinbar.”7)

Zuvor hatten als erster bereits der Passauer Bischof Stefan Oster am 11. Mai 2015 in einem Facebook-Post8) auf die Erklärung des ZdKs reagiert: Aus seiner Sicht sei das Zentralkomitee  dabei,

„mit dieser Erklärung sehr wesentliche Aspekte des biblischen Menschenbildes und des biblischen Offenbarungsverständnisses hinter sich zu lassen“9).

Ehe und Familie sind kein zentrales Thema der Bibel

Nun sind Ehe und Familie nicht unbedingt die zentralen Themen der Heiligen Schrift. Schon rein statistisch bestätigt ein Blick in eine Konkordanz, dass das Thema meist eher beiläufig Erwähnung findet. Während häufiger von Ehescheidung und/oder Ehebruch und den Folgen die Rede ist, kommen Wörter aus das Wortfeld für Ehe (griechisch γαμεῖν/gesprochen: gameîn – heiraten, γαμίζειν/gesprochen: gamízein – verheiratet werden bzw. γάμος/gesprochen gámos – Hochzeit) innerhalb des Neuen Testamentes gerade 25mal vor10). Viele der Stellen beziehen sich auf Gleichnisreden.

Allein dieser Befund deutet schon die Schwierigkeiten, eine biblische Lehre von Ehe und Familie zu entwickeln. Gleichwohl kommt zwei Bibelstellen kommt bei diesem Thema besondere Relevanz zu: 1 Petrus 3,1-7 und 1 Korinther 7,1-7.

Der Autor des 1. Petrusbriefes etwa entfaltet eine Art Eheordnung, die theologisch auf alttestamentlichen Vorbildern  beruht:

Ebenso sollt ihr Frauen euch euren Männern unterordnen, damit auch sie, falls sie dem Wort nicht gehorchen, durch das Leben ihrer Frauen ohne Worte gewonnen werden, wenn sie sehen, wie ehrfürchtig und rein ihr lebt. Nicht auf äußeren Schmuck sollt ihr Wert legen, auf Haartracht, Gold und prächtige Kleider, sondern was im Herzen verborgen ist, das sei euer unvergänglicher Schmuck: ein sanftes und ruhiges Wesen. Das ist wertvoll in Gottes Augen. So haben sich einst auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten: Sie ordneten sich ihren Männern unter. Sara gehorchte Abraham und nannte ihn ihren Herrn. Ihre Kinder seid ihr geworden, wenn ihr recht handelt und euch vor keiner Einschüchterung fürchtet.
Ebenso sollt ihr Männer im Umgang mit euren Frauen rücksichtsvoll sein, denn sie sind der schwächere Teil; ehrt sie, denn auch sie sind Erben der Gnade des Lebens. So wird euren Gebeten nichts mehr im Weg stehen. 1 Petrus 3,1-7

Unschwer ist die Zeitgebundenheit der Geschlechterrollen zu erkennen. Kaum ein Bischof dürfte in der Gegenwart auf dem so biblisch bezeugten Bild von Ehe beharren. Zweifelsohne gehört der Text aber zum neutestamentlichen Kanon und ist damit verbindlich. Freilich ist die Bibel nicht Wort Gottes in dem Sinn, dass der geschriebene Buchstabe als solches unhinterfragt gilt. Gerade weil

„Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat, muß der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte“11).

Was den Text im Innersten prägt, ist die Wechselseitigkeit der Beziehung von Mann und Frau. Die geforderte Unterordnung der Frau ist subtil. Sie dient der Gewinnung der Männer, die noch nicht glauben. Daran kann und daran muss man sich heute reiben. Es darf aber nicht übersehen werden, dass hier nicht einer unkritischen Unterordnung das Wort geredet wird. Schließlich wird auch der Mann in die Pflicht genommen. Sie sollen rücksichtsvoll sein. Die Unterordnung der Frau wird so nicht nur kompensiert. Die Frauen sind zu ehren, weil sie den Männern in nichts nachstehen,

denn auch sie sind Erben der Gnade des Lebens. 1 Petrus 3,7

Petrus-Paulus
Petrus umarmt Paulus. Auch wenn die beiden frühkirchlichen Protagonisten sich nicht immer einig waren, wie Paulus im Galaterbrief 2,11 zu berichten weiß, so waren sie sich doch einig im Einsatz für die Verkündigung des Christusereignisses. - Griechisches Fresko: Die Umarmung von Petrus und Paulus, 12. Jahrhundert, Vatopedi-Kloster auf dem Athos. Foto: Joachim Schäfer

Die zweite Bibelstelle findet sich im 1. Korintherbrief. Sie zeigt oberflächlich betrachtet sogar eine eher ehekritische Tendenz:

‚Es ist gut für den Mann, keine Frau zu berühren’. Wegen der Gefahr der Unzucht soll aber jeder seine Frau haben und jede soll ihren Mann haben. Der Mann soll seine Pflicht gegenüber der Frau erfüllen und ebenso die Frau gegenüber dem Mann. Nicht die Frau verfügt über ihren Leib, sondern der Mann. Ebenso verfügt nicht der Mann über seinen Leib, sondern die Frau. Entzieht euch einander nicht, außer im gegenseitigen Einverständnis und nur eine Zeit lang, um für das Gebet frei zu sein. Dann kommt wieder zusammen, damit euch der Satan nicht in Versuchung führt, wenn ihr euch nicht enthalten könnt. Das sage ich als Zugeständnis, nicht als Gebot. Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich. Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so. 1 Korinther 7,1-7

Paulus greift zu Beginn eine Frage der korinthischen Gemeinde auf. Dass für ihn selbst tatsächlich das Ideal der Enthaltsamkeit gilt, führt er am Ende aus. Gleichwohl ist ihm bewusst, dass diese Enthaltsamkeit dem Menschen an und für sich nicht entspricht. Auf diesem Hintergrund entfaltet er ein Ideal einer Beziehung zwischen Mann und Frau, die auf Wechselseitigkeit beruht. In diesem Ideal sucht der Mensch nicht die Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse. Im Vordergrund steht nicht die Frage, wie der Mensch selbst glücklich werden kann, sondern wie die Partnerin bzw. der Partner sein Glück findet.

Die Ehe – nur ein Zugeständnis?

Freilich ist diese Art von Beziehung für Paulus, wie er selbst formuliert, ein Zugeständnis (συγγώμη/gesprochen: Syngóme). In 1 Korinther 7,25-38 stellt er die Ehelosigkeit als eigentliches Ideal vor. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass seine Ausführungen in der Erwartung der unmittelbar bevorstehenden Wiederkunft Christi stehen:

Denn ich sage euch, Brüder: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine. (…) Denn die Gestalt dieser Welt vergeht. 1 Korinther 7,29.31

Die Konzentration auf die Wiederkunft Christi steht über allem:

Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; er will seiner Frau gefallen. So ist er geteilt. Die unverheiratete Frau aber und die Jungfrau sorgen sich um die Sache des Herrn, um heilig zu sein an Leib und Geist. Die Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt; sie will ihrem Mann gefallen. 1 Korinther 7,32-34

Allerdings weiß er auch um die triebhafte Beschaffenheit des Menschen. Gerade der Verzicht kann so belastend sein, dass er der angestrebten Konzentration schadet. In diesem Fall ist es besser, dem Trieb nachzugeben, um wieder frei für das Eigentliche zu werden:

Wer sich gegenüber seiner Jungfrau ungehörig zu verhalten glaubt, wenn sein Verlangen nach ihr zu stark ist, der soll tun, wozu es ihn drängt, wenn es so sein muss; er sündigt nicht; sie sollen heiraten. Wer aber in seinem Herzen fest bleibt, weil er sich in der Gewalt hat und seinem Trieb nicht ausgeliefert ist, wer also in seinem Herzen entschlossen ist, seine Jungfrau unberührt zu lassen, der handelt richtig. Wer seine Jungfrau heiratet, handelt also richtig; doch wer sie nicht heiratet, handelt besser. 1 Korinther 7,36-38

Vergrößern

Pompeii-couple
Pompeii - Fresco eines Paares (Casa di Terentius Neo (VII, 2, 6))

Die Ehe ist kein Selbstzweck

Das Neue Testament sieht in der Ehe also eine dem Menschen gemäße Weise des Lebens. Sie ist allerdings kein Selbstzweck. In der Ehe sind die Partner aufeinander zugeordnet. In der Perspektive des Neuen Testamentes kommt aber noch etwas Entscheidendes hinzu. Es ist die Öffnung des Blickes auf Christus hin. Die Ehe soll die Basis für die Christuserkenntnis schaffen. Erst von hier aus wird der tiefere Sinn der Erläuterungen des Paulus über die Ehe von Glaubenden und Nicht-Glaubenden erklärbar:

Wenn ein Bruder eine ungläubige Frau hat und sie willigt ein, weiter mit ihm zusammenzuleben, soll er sie nicht verstoßen. Auch eine Frau soll ihren ungläubigen Mann nicht verstoßen, wenn er einwilligt, weiter mit ihr zusammenzuleben. Denn der ungläubige Mann ist durch die Frau geheiligt und die ungläubige Frau ist durch ihren gläubigen Mann geheiligt. Sonst wären eure Kinder unrein; sie sind aber heilig. Wenn aber der Ungläubige sich trennen will, soll er es tun. Der Bruder oder die Schwester ist in solchen Fällen nicht wie ein Sklave gebunden; zu einem Leben in Frieden hat Gott euch berufen. 1 Korinther 7,12-15

Der Partner wird durch den anderen geheiligt – unabhängig davon, ob er selbst glaubt oder nicht. Aber auch hier ist die Ehe kein Selbstzweck. Das Ziel der Heiligung sind die Kinder, um deren Heiligkeit sich Paulus sorgt.

Mann, Frau, Kind

Die Weitung des Blickes auf die Kinder hin, ist nicht ohne Grund. Bereits im ersten Schöpfungsbericht heißt es:

Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch. Genesis 1,26f

Von hier aus definiert sich das christliche Verständnis der Ehe: Ehe ist die Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau mit dem potentiellen Ziel der Zeugung von Nachkommenschaft. Dieser Aspekt spielt bis heute im katholischen Eheverständnis eine zentrale Rolle. Gerade die potentielle Zeugung von Nachkommenschaft ist eine conditio sine qua non. Wo sie ausgeschlossen wird oder durch entsprechende Umstände ausgeschlossen ist, kommt keine Ehe zustande – unabhängig davon, ob die Partner hetero- oder homosexuell sind.

Ehe ändert sich

Die paulinische Anmerkung über die Ehe zwischen Glaubenden und Nicht-Glaubenden beinhaltet aber noch einen anderen Aspekt. Sie weicht nämlich das jesuanische Scheidungsverbot auf. Auf die Frage, ob man seine Frau aus einem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen kann, antwortet Jesus:

Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Da sagten sie zu ihm: Wozu hat dann Mose vorgeschrieben, dass man (der Frau) eine Scheidungsurkunde geben muss, wenn man sich trennen will? Er antwortete: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so. Matthäus 19,4-8

Grundsätzlich gilt also ein Scheidungsverbot. Im Unterschied zum Markusevangelium, dass den Passus ebenfalls fast wortwörtlich enthält (vgl. Markus 10,2-9) wird das Verbot im Matthäusevangelium einen Vers später unter bestimmten Bedingungen relativiert:

Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch. Matthäus 19,9

Sowohl Paulus als auch Matthäus12) kennen also bereits Ausnahmen. Bei Paulus ist es die Ehe mit einem Ungetauften, in der es die Möglichkeit einer Wiederheirat gibt, wenn der Ungetaufte sich trennt. Bei Matthäus ist es ein Fall von Unzucht, also Ehebruch, der die Trennung begründet.

O Tempora, o mores – Andere Zeiten, andere Sitten

Das Ideal der Ehe bleibt bestehen. Aber bereits der neutestamentliche Befund zeigt, dass es Situationen gibt, in der die Kirche neue Wege finden muss, um dem Menschen gerecht zu werden. Dabei geht es nicht um den Menschen an sich, sondern um den Menschen in seiner Hinordnung auf Christus. Der Blick auf das Christusereignis muss ermöglicht werden und ermöglicht bleiben.

Es kann also nicht um die bloße Reaktion auf die Änderung von Befindlichkeiten oder Lebensentwürfen gehen. Rein biblisch gesehen, ist die Ehe definiert durch die auf die potentielle Zeugung hingeordnete Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau.

Das sagt noch nichts über die Wertigkeit anderer Lebensentwürfe und Partnerschaftsformen aus. Vielleicht ist hier der Ansatz für eine Lösung des Disputs zu finden. Das Neue Testament kennt nämlich noch andere Konzepte, in denen das Füreinander-Einstehen von Menschen sogar noch höher gelobt wird, als in der Ehe. So spricht Jesus im Johannesevangelium:

Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Johannes 15,12f

Im gleichen Evangelium ist es schließlich der Auferstandene, der die Jünger, nachdem er sie mit dem Heiligen Geist behaucht hat, mahnt:

Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert. Johannes 20,23

Das ist nicht nur die Verleihung von Vollmacht. Es ist auch die Mahnung, mit der Vollmacht, angemessen umzugehen. Denn wer in dieser Vollmacht die Sündenvergebung verweigert, der ist auch dafür verantwortlich, dass der Blick auf das Christusereignis verschlossen bleibt.

Die Vollmacht Jesu greift aber noch weiter:

Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Johannes 20,21

Die so Beauftragten erhalten die Vollmacht, auf neue Fragen, neue Antworten zu finden. Die Bibel hat als Wort Gottes nicht auf alle Fragen die schon passenden Antworten. Die Nachfolgerinnen und Nachfolger Jesu müssen die Antworten auf die neuen Fragen in der Treue zum Wort Gottes selbst finden. Es ist gerade die Treue zum Wort Gottes, die bei allem Wunschdenken verbindlich ist. Den Blick auf Gott hin zu weiten und ihn nicht durch die Aufrichtung von Sündenmahnungen zu verstellen, ist das erste Gebot der Stunde. Das zweite ist, in der Treue zum überlieferten Wort Gottes neue Wege zu finden. Das neutestamentliche Konzept von Freundschaft könnte hier ein Wegweiser sein, den es auszuloten gilt. Dass das gelingen kann, zeigt der arbeitsrechtliche Perspektivwechsel der deutschen Bischöfe. Er ist nur ein erster Schritt. Aber es ist ein Schritt!

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Bildnachweis

Titelbild: Hans Braxlmeier – lizenziert unter  CC0 Public Domain über pixabay.com

Foto “Petrus umarmt Paulus”: Peter Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon – Lizenz: Gemeinfrei

Foto: Pompeii – Fresco eine Paares – lizenziert als gemeinfrei unter Wikimedia Commons

Einzelnachweis   [ + ]

1. Deutsche Bischofskonferenz, Pressemeldung vom 5.5.2015, Nr. 72 (Quelle: http://www.dbk.de/presse/details/?presseid=2795&cHash=d9ed8cf1a2f0497859dc7e01ea255122 [Stand: 16.5.2015]).
2. ZdK, Zwischen Lehre und Lebenswelt Brücken bauen – Familie und Kirche in der Welt von heute, Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken anlässlich der XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode im Vatikan 2015 (veröffentlicht am 9.5.2015) – Quelle: http://www.zdk.de/veroeffentlichungen/erklaerungen/detail/Zwischen-Lehre-und-Lebenswelt-Bruecken-bauen-Familie-und-Kirche-in-der-Welt-von-heute-225w/ [Stand: 16.5.2015].
3. Ebd.
4. Ebd.
5. Ebd.
6. Vgl. hierzu: Domradio, Bischöfe rügen Zentralkomitee. Streit um Segnung homosexueller Paare (15.5.2015) – Quelle: http://www.domradio.de/themen/bischofskonferenz/2015-05-15/streit-um-segnung-homosexueller-paare [Stand: 16.5.2015].
7. Vgl. ebd.
8. Vgl. https://de-de.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1594543007482186&id=1399859893617166 [Stand: 16.5.2015].
9. Ebd.
10. Vgl. W.F. Moulton/A.S. Geden (Hrsg.), A concordance to the greek Testament, Edinburgh 1996, S. 155f.
11. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution „Dei Verbum“ über die göttliche Offenbarung, Nr. 12.
12. Vgl. auch Matthäus 5,32: „Ich aber sage euch: Wer seine Frau entlässt, obwohl kein Fall von Unzucht vorliegt, liefert sie dem Ehebruch aus.“
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