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Annus Liturgicus·Ecclesiastica

Die Überwindung Ein Plädoyer gegen christlichen Kulturpessimismus und für eine schicksalsfreundliche Verkündigung


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Wieder einmal ist Advent. Mit der verheißungsvollen Verlässlichkeit, mit der die Sonne abends untergeht, bricht wieder einmal der Kampf um die richtige Kultur des Adventes los. Wo man in früheren Zeiten substantiell um die Freiheit des Meinens, Redens, Denkens und Glaubens gerungen hatte, hat sich die Kampfzone der kulturellen Kombattanten nun auf die Frage akzidentieller Ausgestaltungen des adventlichen und weihnachtlichen Treibens reduziert. In Solingen etwa scheint der Advent auszufallen, weil der dortige Oberbürgermeister Tim Kurzbach sich weigert, bereits in der Adventszeit vor dem Rathaus einen Tannenbaum aufzustellen1). Zwar verweist Tim Kurzbach auf seinen römisch-katholisch geprägten christlichen Hintergrund, der im „Weihnachtsbaum“ ein Symbol der Weihnachtszeit, nicht aber der Adventszeit sieht; deshalb möchte er im Rathaus einen Adventskranz aufstellen, dessen Kerzen wöchentlich von Kindergartengruppen und Schulklassen entzündet werden sollen2). Fraglich bleibt freilich, ob die symbolisch begründete Ablehnung eines Tannenbaumes in der Adventszeit das Verständnis für die weihnachtliche Botschaft bei den säkularisierten Bürgerinnen und Bürgern der Klingenstadt im Bergischen Land erhöht.

Im Kampf um Hohlfiguren

Ist die Auseinandersetzung um das immergrüne Gehölz in Solingen ob der Tatsache, dass Tim Kurzbach erst bei der Wahl im Oktober 2016 zum Oberbürgermeister Solingens erkoren wurde, noch relativ jung, erhebt sich der mahnende Zeigefinger kulturtradierender Kirchenmänner und –frauen mittlerweile traditionell schon mit dem frühherbstlichen Auftauchen zimthaltigen Modelgebäcks und schokoladenüberzogener Lebkuchen-Fruchtgelee-Marzipanschichtungen in den Regalen der Discounter. Mit Engagement wird dann darauf verwiesen, dass Advent erst vier Sonntage vor Weihnachten ist und wie unmöglich man diese Missachtung adventlichen Brauchtums ungeachtet der Tatsache findet, dass Zimt, Nelken und Marzipan an sich wenig weihnachtliche Bedeutung haben und in der Küche ganzjährig ebenso verwendet werden wie der Weihrauch in der Kirche, obwohl der doch als Gabe der Magier aus dem Morgenland für den menschgewordenen Gottessohn einen explizit weihnachtlichen Bezug hat.

Aber damit noch nicht genug. Die fromme Empörung findet alljährlich ihren Höhepunkt, wenn der Weihnachtsmann unausweichlich sein diabolisches Konterfei in Form von Schokoladenfiguren unter das Volk bringt. Weihnachtsmannfreie Zonen wurden schon errichtet. Und jede Sichtung eines „echten“ Bischofs Nikolaus als süße Leckerei löst nachgerade Jubelstürme in manch einem römisch-katholischen Kreis aus, die vermuten lassen, die Wiederkunft Christi würde sich jetzt tatsächlich ereignen. So twittert etwa der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord SJ:

„Milka hat’s begriffen: Niklaus war Bischof. Jetzt auch im Supermarkt in Ihrer Nähe.“3)

Nikolaus-1

Einmal abgesehen davon, dass Nikolaus ein oströmischer Bischof war, der keine Mitra getragen haben dürfte, stellt sich hier noch manch andere Frage. Bischof Nikolaus ist doch für den 6. Dezember zuständig; was bzw. wer kommt denn danach? Warum verteidigen die Vertreterinnen und Vertreter der Kirche den Glauben in der heutigen Gesellschaft nicht mit der gleichen Verve wie sie um die Gestalt von Hohlfiguren ringen? Sind Tannenbaum, Schokofiguren und andere Süßigkeiten überhaupt „Symbole“ der Menschwerdung Gottes?

Eine lukanische Spezialität

Das Wort „Symbol“ geht dem modernen Zeitgenossen leicht über die Lippen. Für die Verkündigung des Glaubens aber spielen „Symbole“ eine außerordentliche Rolle. Das wird schon an der griechischen Herkunft des Wortes „Symbol“ deutlich, das sich von συμβάλλειν (gesprochen: symbállein) herleitet. Die wörtliche Übersetzung bedeutet „zusammenwerfen“ bzw. „zusammentreffen“. Dahinter steckt der Brauch im antiken Griechenland, bei Verabredungen eine Tonscherbe zu zerbrechen und den Unterhändlern mitzugeben. Das „Zusammentreffen“ der passenden Fragmente wies später deren Inhaber als Bevollmächtigte aus. Die nahezu wertlose Tonscherbe war zum Symbol geworden; sie trug nun einen starken ideellen Gehalt. Die marginal werthaltige sichtbare Wirklichkeit stand für eine hohen nicht-sichtbaren Wert.

Dieser Aspekt macht Symbole gerade für die theologische Rede von Gott bedeutsam. Gott entzieht sich dem deskriptiven Zugriff. Er kann nur auf analoge, eben „symbolische“ Weise erfasst werden, indem sichtbare Realitäten in ihrem Verweischarakter herangezogen werden. In der sichtbaren Realität kommt die nicht-sichtbare Wirklichkeit Gottes zum Ausdruck. Dabei erschließen sich Symbole von selbst; sie bedürfen keiner weiteren Erläuterung für diejenigen, die in die Sprache der Symbole eingeweiht sind. Symbole erweisen sich damit als hochpotente Mittel theologischer Kommunikation – sei es, dass sie die Gestalt von Dingen, sei es, dass sie die Wirkmacht von Worten oder Handlungen annehmen. Nicht ohne Grund bedient Jesus selbst sich der symbolischen Kommunikation in seiner Rede von Gott – etwa wenn er in Form von Gleichnissen spricht.

Erstaunlich ist nun, dass das griechische Wort συμβάλλειν und seine Derivationen innerhalb des Neuen Testamentes nur im lukanischen Doppelwerk (Lukasevangelium und Apostelgeschichte) zu finden sind4). Erstmalig verwendet er das Wort im Zusammenhang mit der Erzählung der Geburt Jesu. In Lukas 2,1-20 schildert er die Ereignisse in Bethlehem. Nach der Geburt, der Verkündigung des neugeborenen Kindes durch die Engel an die Hirten auf den Feldern Bethlehems und deren Verehrung des Kindes in der Krippe, schreibt Lukas:

Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Lukas 2,19

Erleben, erfahren, verstehen

Wo die Einheitsübersetzung von “Nachdenken” schreibt, verwendet Lukas das Partizip Aorist συμβάλλουσα (gesprochen: symbállousa). Das Aoristpartizip drückt grammatikalisch eine Vollendung des bezeichneten Handelns aus5). Maria denkt also nicht einfach nur darüber nach. Sie bewegt es – das Verb συμβάλλειν wörtlich übersetzt – in sich hin und her. Sie ringt gewissermaßen um das Verstehen dessen, was sie in ihrem Herzen bewahrt. Das was sie in ihrem Herzen bewahrt, beschreibt der griechische Urtext mit den Worten πάντα συνετήρει τὰ ῥήματα ταῦτα ἐν τῇ καρδίᾳ αὐτής (gesprochen: pánta synetérei tà rhémata taûta en tê kardía autés) – wörtlich übersetzt:

Sie behielt all dieses Gesagte in ihrem Herzen … Lukas 2,19

Insofern das Wort ῥῆμα (gesprochen: rhêma) vor allem das gesprochene Wort meint, legt Lukas hier vor allem das bisher Gesprochene ins Herz. Insofern mit dem folgenden Satz

Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten; denn alles war so gewesen, wie es ihnen gesagt worden war. Lukas 2,20

die Erzählung um die Menschwerdung Jesu zum Abschluss kommt und das pointierte καὶ ὅτε (gesprochen: kaì hóte – „und als“) einen Neuansatz der Erzählung markiert, bezieht sich das Ringen der Maria um das Verstehen des bisher Gesagten auf den gesamten Erzählstrang, der mit der Verkündigung der Geburt Jesu durch den Engel Gabriel (Lukas 1,26-38) beginnt und auch die Ereignisse während ihres Besuches bei Elisabeth (Lukas 1,29-56) umfasst.

Eine Apodeixis ist kein Sedativum

Es lohnt sich also, das in diesen Erzählungen Gesagte näher zu betrachten. Es beginnt mit der Ankündigung der Geburt Jesu in Lukas 1,26-38. Lukas betont gleich mehrfach (Lukas 1,27.34), dass Maria eine παρθένος (gesprochen: parthénos) war, also nicht bloß eine junge Frau, sondern eine Jungfrau im biologischen Sinn6). Lukas terminiert das Hereinbrechen der göttlichen Wirklichkeit durch den Engel in das Leben der Maria auf den sechsten Monat. Das bezieht sich zuerst auf das Eintreten der Schwangerschaft Elisabeths mit Johannes, den man später den Täufer nennen wird (vgl. Lukas 15-25); eine bemerkenswerte Assoziation dürfte Lukas durchaus nicht entgangen sein, steht doch der sechste Monat im jüdischen Kalender mit dem Namen „Elul“ im Sternzeichen der Jungfrau.

Das Spiel mit zwei Ebenen setzt sich im weiteren Verlauf der Erzählung fort. Das Hereinbrechen der göttlichen Wirklichkeit versetzt den Menschen an sich in Schrecken. So ist es auch bei Maria, deren Schreck durch die ungewöhnliche Anrede:

Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. Lukas 1,28

noch verstärkt wird. Für eine Erschreckte ungewöhnlich, überlegt sie, was dieser Gruß wohl bedeuten möge. Diese Szene mutet fast skurril an, ist die „normale“ Reaktion auf einen Schreck doch Flucht, Schockstarre oder Angriff. Ein Erschrecken mag manche Reaktion evozieren, für Überlegungen bleiben in der Regel keine Zeit. Der Engel mag das Zögern der Maria bemerkt haben, denn er ergreift die Initiative:

Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben. Lukas 1,30-33

Der Engel kommt schnell zur Sache. Die Ansage ist apodiktisch. Maria wird empfangen und gebären. Das ist keine Frage, das ist ein Befehl. Für ein Nein gegenüber der Weisung des Höchsten erscheint kein Platz. Die Frage, was gewesen wäre, wenn Maria „Nein“ gesagt hätte, stellt sich hier ebenso wenig, wie ein freiwilliges Ja. Die Sache scheint längst beschlossen zu sein. Die nichtsichtbare Wirklichkeit Gott wird durch die menschliche Wirklichkeit Mariens Gestalt annehmen; das Wort wird Fleisch werden (vgl. Johannes 1,14).

Berechtigte Fragen

Maria scheint angesichts des apodiktischen Auftretens des Engels zur Besinnung zu kommen. Es regt sich Widerstand. Sie stellt die berechtigte Frage:

Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne? Lukas 1,34

Das Nicht-Erkennen eines Mannes ist keine bloße Umschreibung für ihre Jungfräulichkeit. Sie weiß noch nichts von der Weise, wie Kinder entstehen. Sie ist also keine erkennende fromme Frau, die sich offen dem göttlichen Willen und Wollen öffnet. Sie kann sich nicht vorstellen, wie ein Kind geboren werden soll, ohne herkömmliche Zeugung. Der Engel hält eine Erklärung parat:

Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden. Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich. Lukas 1,35-37

Ob Maria der Hinweis auf das Drängen und Dringen des Heiligen Geistes allein vertraut hätte, ist nicht sicher. Es bedarf schon des handfesten Verweises auf das Schicksal ihrer Verwandten Elisabeth, die in hohem Alter noch einen Sohn empfangen hat, obwohl sie als unfruchtbar galt. Der Tatsachenbeweis belegt die Behauptung, dass für Gott nichts unmöglich ist. Auch Maria glaubt also nicht einfach, sie ringt um verstehen, ihr Widerstand muss argumentativ überwunden werden bevor sie sich in ihr apodiktisch auferlegtes Schicksal ergibt:

Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Lukas 1,38

O-glückliche-Septemberschuld-Werner-Kleine
O glückliche Septemberschuld, welch großen Erlöser hast du gefunden ...

Strategiewechsel

Matthäus, der andere Evangelist, der von den Umständen um die Geburt Jesu berichtet, weiß von all dem nichts. Bei ihm heißt es lapidar:

Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Matthäus 1,38

Hier erscheint Josef, der Verlobte der Maria, als Skeptiker. Die unerhörte Schwangerschaft seiner Verlobten stellt ihn vor erhebliche Problem, die im apokryphen Protoevangelium des Jakobus genüsslich ausgefaltet werden7). Die Schwangerschaft ist für ihn ein Skandal. War es bei Lukas Maria selbst, ist es bei Matthäus Josef, dessen innerer Widerstand durch den Verkündigungsengel überwunden werden muss. Auch hier gibt es nicht einfach eine glaubend-vertrauende Zustimmung. Auch hier ist eine argumentative Überwindung notwendig. Der Engel führt ein Wort des Propheten Jesaja an (Jesaja 7,14):

Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns. Matthäus 1,23

Während Maria bei Lukas aber apodiktisch vor vollendete und beschlossene Tatsachen gestellt wird, erscheint das Auftreten des Engels im Traum des Josef schon fast werbend. Während die Schwangerschaft für Maria alternativlos ist und sie sich in ihr Schicksal fügt, bleibt dem Josef offenkundig ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit.

Revolution ...

Wie sehr Maria mit der Bewältigung ihres Schicksals gerungen hat, wird in der lukanischen Erzählung vom Besuch Maria bei Elisabeth deutlich. Den Gruß Elisabeths

Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Lukas 1,42-45

beantwortet sie mit einem Lied voller revolutionärer Energie und kraftvoller Auflehnung:

Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. Lukas 1,46-55

Die Worte sind klar und deutlich. Sie sind kraftvoll. Fast trotzig stellt sie fest, dass sie, die Niedrige, die nicht gefragt wurde,von nun an gepriesen wird. Vom Mächtigen ist die Rede, der Großes getan hat – auch wenn sie nicht gefragt wurde. Wie zwecklos Widerstand gewesen wäre, zeigt sich daran, dass er die zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.

... von außen nach innen

An dieser Stelle scheint der Text seine Dynamik zu ändern. Es scheint fast, als schiene der Maria im Singen die Konsequenz dessen auf, was ihr widerfahren ist. Die Macht Gottes stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen – so wie ihre Niedrigkeit und Machtlosigkeit angesichts der göttlichen Apodeixis ihr nun zum Ruhm und zur Preisung gereicht. Die Auflehnung gegen das Schicksal erfährt eine Umdeutung. Sie erkennt in ihrem Schicksal ein Zeichen, mehr noch: ein Symbol für den göttlichen Willen, der die Hungernden beschenkt sehen will und die Reichen leer ausgehen lässt.

Das ist die entscheidende Wende der Maria. Im Ringen und Durchdringen, im Widerstand und in der Auflehnung ergibt sie sich nicht einfach in ihr Schicksal. Sie nimmt das Unausweichliche letztlich an, macht es damit zu ihrer Sache und erkennt in ihrer eigenen Ohnmachtserfahrung, die sie im Gruß der Elisabeth als eine Preisung erfährt, die eigentliche Potenz des göttlichen Handelns. Es ist eine doppelte Überwindung, die sie durchlebt. Dem äußerlichen und physischen Überwunden-werden durch die Macht des Höchsten, die ihr eine Schwangerschaft verschafft, folgt die innerliche Überwindung, auch in der Ohnmachtserfahrung noch das Potential zur Veränderung der Verhältnisse zu erkennen.

Mit der Herbheit des Wortes Gottes gegen die süße Hohlheit

Die lukanische Erzählung der Ereignisse um die Geburt Jesu ist von herber Klarheit. Da ist eigentlich wenig Platz für romantische Verklärung. Lukas weiß um die vielfache Überwindung, die Weihnachten kostet. Während heute vorweihnachtlich bestenfalls um die Gestaltung bedruckter Zellophanverpackungen schokoladenhaltiger Hohlfiguren gestritten wird, ringt Maria um ein Verstehen ihres Schicksals. Es mag sein, dass sie erst nach dem Besuch der Hirten an der Krippe zu Bethlehem ahnt, wie wirklich ihr trotziger Lobgesang wird. Sie beginnt zu ahnen, dass sie selbst zu einem Symbol werden wird, sie, durch deren sichtbaren Leib der unsichtbare Gott Gestalt annimmt. Sie wird zu einem Symbol des Glaubens werden, aber nicht, weil sie einfach geglaubt hätte – das hat sie nicht. Συμβάλλειν (gesprochen: symbállein) heißt ja nicht nur „zusammenwerfen“, sondern auch „überlegen, erwägen, sich unterreden“. Der Glaube der Maria ist an ihrem Schicksal gewachsen. Sie wurde überwunden und hat sich überwunden. Sie hat sich ihren Glauben erringen müssen. Sie hatte keine Wahl.

Revolution!

Gerungen muss auch heute wieder werden. Es genügt nicht, auf Äußerlichkeiten zu verweisen, wenn die eigentlich revolutionäre Macht der Botschaft von der Menschwerdung Gottes selbst von denen, die ihm nachfolgen gezähmt wird. Dann wird das Nichtaufstellen eines Weihnachtsbaumes schon als mutiges Bekenntnis gefeiert. Dabei kennt die Tradition doch die schöne Erzählung von der Dattelpalme, die der hochschwangeren, aber hungrigen Maria auf dem Weg nach Bethlehem gegen den Widerstand ihres Gefährten Josef Nahrung gibt8). Wenigstens diese Tradition, die auch das adventliche Liedgut bereichert hat, kennt also einen vorweihnachtlichen Baum, bei dem es sich in westeuropäischen Breiten in Ermangelung des Gedeihens von Dattelpalmen auch um Kirsch-, ja sogar um Tannenbäume handeln darf.

Dass die Verfechter des Glaubens immer wieder solche Nebenkriegsschauplätze für ihre kulturellen Kämpfchen suchen, ist ein symbolisches Symptom ihrer wahren Sprachlosigkeit. Vielleicht sollten sie sich Maria zum Vorbild nehmen und sich in das Unausweichliche fügen, das Unausweichliche dann aber zum Fanal Gottes selbst machen. Es ist ja Gott, der in diese Welt kam – in diese! Es gibt keine andere! Gottes Wort will Fleisch werden. Sein Wort muss in seinen Jüngerinnen und Jüngern immer neu Gestalt werden. Hier! Heute! Jetzt! Widerstand ist zwecklos.

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Bildnachweis

Titelbild: Verkündigung (Fra Angelico) – lizenziert als gemeinfrei

Bild 1: Kath 2:30 Punctum – Feierabend Kollege! (Knut “Kumi” Junker/Katholische Citykirche Wuppertal – alle Rechte vorbehalten

Bild 2: O glückliche Septemberschuld (Fotos und Montage: Werner Kleine) – lizenziert als CC BY-SA 4.0

Video: Kath 2:30 – Episode 15: Cherry Tree Carol (Christoph Schönbach/Katholische Citykirche Wuppertal) – alle Rechte vorbehalten

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. hierzu Jörn Tüffers, Kurzbach lehnt Weihnachtsbaum vor Rathaus ab, Solinger Tageblatt online, 17.11.2016, Quelle: http://www.solinger-tageblatt.de/solingen/kurzbach3-lehnt-weihnachtsbaum-rathaus-6986183.html [Stand: 27. November 2016].
2. Vgl. hierzu Domradio, „Christliche Tradition stärken“, Domradio online, 22.11.2016, Quelle: https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2016-11-22/solinger-ob-zum-weihnachtsbaumverzicht-vor-rathaus [Stand: 27. November 2016].
3. Quelle: https://twitter.com/BerndHagenkord/status/801798101891694592 [Stand: 27. November 2016].
4. Vgl. hierzu W.F. Moulton/A.S. Geden, A Concordance to the Greek Testament, Edinburgh 1996, S. 919.
5. Vgl. hierzu F. Blass/A. Debrunner/F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 1990, § 339,1.
6. Explizit wird das in Lukas 1,34 betont.
7. Vgl. hierzu das Protoevangelium des Jakobus, 13-17, greifbar bei W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1 – Evangelien, Tübingen 1990, ,S. 343ff
8. Vgl. hierzu das apokryphe Pseudomatthäusevangelium, 20 (greifbar bei W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 1 Evangelien, Tübingen 1990, S. 368; eine vergleichbare Erzählung findet sich im Übrigen auch im Koran Sure 19,20-26
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