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Res publica·Sanitas

Zuckersüß Biblische Anmerkungen zu einer Zuckersteuer


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Über 60 Prozent der Erfrischungsgetränke in Deutschland enthalten mehr als fünf Prozent Zucker. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Verbraucherorganisation Foodwatch.1) So enthalten zum Beispiel 250ml Cola 9 Stück Würfelzucker (= 27 Gramm).2) Zum Vergleich: Die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Zuckerhöchstmenge pro Tag liegt zwischen 25 Gramm für Frauen und 30 Gramm für Männer.3) Foodwatch schlägt daher vor, dem Vorbild von Belgien und Frankreich zu folgen und eine Zuckersteuer auf Getränke einzuführen. Auch in Großbritannien wird 2018 eine solche Zuckersteuer eingeführt: Wenn in einem Liter mehr als 50 Gramm Zucker enthält sind, wird das Unternehmen pro Liter 18 Cent Steuern bezahlen müssen. Sind in einem Liter mehr als 80 Gramm Zucker enthalten, werden 24 Cent fällig sein. Mit diesen Steuereinnahmen sollen der Schulsport und ein gesundes Schulfrühstück gefördert werden.4)

Der Zucker des Orients

Im Alten Testament ist Honig, דְבַשׁ (gesprochen: dwasch) ein Sammelterminus für Süße, der die „Idee der Annehmlichkeit, Ergötzlichkeit, der Würze des Lebens“ darstellt – Honig war der Zucker des Alten Orients.5) Im Alten Testament bezeichnet das Wort „Honig“ entweder wilden Honig von Bienen (Richter 14,8-9) oder einen Sirup, der durch Einkochen von Trauben, Datteln oder Feigen entsteht. Letztere Variante erschließt sich nicht aus den biblischen Texten, sondern aus sprachlichen Parallelen im Akkadischen sowie einem Hinweis von Josephus, der berichtet, dass man in Jericho aus Datteln Honig herstellte (siehe De bello Uudaico IV 468). Im Alten Testament ist Honig sowohl ein kostbares Nahrungsmittel sowie ein Grundnahrungsmittel. In Ezechiel 16,13 beschreibt Gott seine besondere Beziehung zur Stadt Jerusalem, die er wie eine Königin behandelt hat, die mit Honig verwöhnt wurde:

Mit Gold und Silber konntest du dich schmücken, in Byssus, Seide und bunte Gewebe dich kleiden. Feinmehl, Honig und Öl war deine Nahrung. So wurdest du strahlend schön und wurdest sogar Königin. Ezechiel 16,13

Später im 2. Jahrhundert v. Chr. gehörte Honig nach Aussage des Weisheitslehrers Jesus Sirach „zum Nötigsten im Leben“. Er schreibt:

Das Nötigste im Leben des Menschen sind: Wasser, Feuer, Eisen und Salz, kräftiger Weizen, Milch und Honig, Blut der Trauben, Öl und Kleidung. Sirach 39,26

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Pollen verschiedener Pflanzen dienen der Bienenbrut als Nahrung

Im Hohenlied stehen „Milch und Honig“ gar für den Geschmack der Liebe (Hoheslied 4,11) – und das verheißene Land wird im Pentateuch als Land, in dem Milch und Honig fließen, beschrieben (vgl. Exodus 1,7).

Ein Land, in dem Milch und Honig fließen

Wörtlich genommen ist Deutschland heute ein Land, in dem Milch und Honig fließen. Es gibt einen Überfluß an Milch – Milch war noch nie so billig (siehe „Die Milch fließt über“) – und ein Großteil, der zu kaufenden Nahrung ist gesüßt.6) Aber wie lebt es sich in einem solchen Land? Im Buch der Sprichwörter gibt es einen Ratschlag zum Verzehr von Honig:

Iss Honig, mein Sohn, denn er ist gut, Wabenhonig ist süß für den Gaumen. Sprichwörter 24,13

Aber diese Aussage ist nicht Teil eines Diätplanes, sondern ein Vergleichspunkt für das Lernen der Weisheit. Die Süße des Honigs kann im Alten Testament unter anderem als Vergleichspunkt dienen für „freundliche Worte“ (Sprichwörter 16,34) und Gottes Wort bzw. seine Gesetze (Psalm 19,10-11). Hier dient die sinnliche Verführung, die die Süße des Honigs bietet, als Vergleichspunkt für den intellektuellen Genuss der Weisheit:

So erkenne auch, dass die Weisheit gut ist für deine Seele; wenn du sie gefunden hast, so hast du eine Zukunft, und deine Hoffnung wird nicht zunichtewerden. Sprichwörter 24,14

Aber wie bei allen guten Dingen gilt auch, dass die Übertreibung, die Überdosis den Genuss ins Gegenteil verkehrt.

Findest du Honig, iss nur, soviel dir bekommt, sonst wirst du ihn satt und erbrichst ihn. Sprichwörter 25,16 (siehe auch Sprichwörter 25,27)

Selbst der süße Honig kann durch die Übersättigung seinen Reiz verlieren:

Der Satte tritt Honig mit Füßen, doch dem Hungrigen schmeckt alles Bittere süß. Sprichwörter 27,7

Das Maß ist der Schlüssel zum Genuss. Ein Überfluss an Genuss hemmt denselben.

Zuckersteuer ja oder nein?

Umso mehr Zucker man isst, umso mehr verliert man das Gefühl für seine Süße, umso mehr Zucker braucht man zum Süßen. Zugleich ist Zucker zwar ein direkter Energielieferant für den Körper, aber übermäßiger Verzehr führt unter anderem zur Fettleibigkeit, Herzproblemen und Diabetes. Zucker versüßt das Leben – es ist heute sowohl ein Genussmittel als auch Grundbestandteil unserer Nahrung (vgl. bereits Ezechiel 16,13 und Sirach 39,26). Darüber, ob der Genuss gesund oder ungesund ist, entscheidet die Menge (vgl. Sprichwörter 25,16). Im Angesicht der heutigen Ernährungsgewohnheiten muss darüber nun diskutiert werden, ob durch eine verpflichtende Zuckersteuer die Menschen zum gesunden Genuss erzogen werden sollen, oder ob eine solche Bevormundung die Eigenverantwortlichkeit des Menschen untergräbt. In jedem Fall muss eine konsequente Verbesserung der Verbraucherinformation das Ziel sein – damit die Menschen die Süße im Leben wieder wertschätzen können.


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Bildnachweis

Titelbild: „Zucker“, fotografiert von 422737. Lizenz: gemeinfrei.

Bild im Textverlauf: „ Pollen in Wabe“, fotografiert von Waugsberg. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Siehe „Mehr als jedes zweite Erfrischungsgetränk überzuckert – foodwatch fordert Zucker-Abgabe für Getränke-Hersteller“, foodwatch-Marktstudie, 26.08.2016 [Stand: 03. September 2016].
2. Vgl. „So viel Zucker steckt in Cola und Co.”, stern.de, 30.08.2016 [Stand: 03. September 2016].
3. Vgl. „Tageszufuhr: WHO empfiehlt höchstens sechs Teelöffel Zucker“, SPIEGEL Online, 04.03.2015 [Stand: 3. September 2016].
4. vgl. „Voll auf Zucker. Foodwatch-Studie zu Getränken”, Tagesschau online, 24.08.2016 [Stand: 03. September 2016].
5. „Noch einmal: Honig im hl. Lande“, David Simonsen, in: ZDPV 35 (1912), S. 186-199, hier S. 192.
6. In der biblischen Verheißung wird Israel als Land beschrieben, in dem man große Weideflächen besitzen kann, auf denen man gesunde Tiere halten kann, die fruchtbar sind. Es wird ein Land verheißen, indem die Herden genügend eigene Nahrung finden und in dem es genügend Blüten und genügend Früchte gibt, aus denen man stetig Honig machen kann.
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