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Wohnen wie Gott auf Erden Adventliche Gedankenspiele eines Neutestamentlers über offenkundig zunehmende ontologische Differenzen in der Christusnachfolge


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Es hat schon etwas sehr Spezielles, wenn Kleriker Klerikalismus kritisieren. Nicht dass viele der klerikalen Kritiker mit ihren Invektiven ins Leere liefen. Und doch bleiben sie Kleriker und sind damit in der Lehre der römisch-katholischen Tradition durch die

„Weihe ermächtigt (…), als Vertreter Christi, des Hauptes, in dessen dreifacher Funktion als Priester, Prophet und König zu handeln“1).

Diese Ermächtigung ist umfassend und unauslöschlich. Deshalb kann ein gültig Geweihter zwar

„aus angemessenen Gründen der Verpflichtungen und Ämter enthoben werden, die mit der Weihe gegeben sind, oder es kann im verboten werden, sie auszuüben (…). Er kann aber nicht wieder Laie im eigentlichen Sinn werden (…) denn das durch die Weihe eingeprägte Mal ist unauslöschlich. Die Berufung und Sendung, die er am Tag seiner Weihe erhalten hat, prägen ihn für immer“2).

Es handelt sich bei der Weihe also um eine Aussonderung, eine besondere Prägung, eine Ermächtigung, die Laien nicht haben. Die Aussonderung ist ihr Los, ihr Geschick, ihr Schicksal – so jedenfalls die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes κλῆρος (gesprochen: klêros). Der Kleriker ist ein Ausgesonderter, einer, der als Vertreter Christi doch wohl auch etwas Besonderes ist, weshalb es in der geschwisterlichen Gemeinschaft des Volkes Gottes nicht nur Schwestern und Brüder, sondern auch jene gibt, die brüderer als Brüder, eben Mitbrüder sind. Wie aber kann man brüderer sein, wenn es nicht jene existentielle, ja sogar seinsmäßige, also ontologische Erhöhung in der Weihe gibt, die sogar dazu führt, dass auch des Geweihten

„Unwürdigkeit (…) Christus nicht am Handeln hindern [kann]“3).

Schließlich

„handelt Christus selbst durch den geweihten Diener und wirkt durch ihn das Heil“4).

Sakrale Sepsis

Die durch die Weihe verliehene Ermächtigung ist also ein Dienst. Der christliche Glaube ist reich an Paradoxa, die die Kraft im Schwachen erblicken (vgl. 2 Korinther 12,9) oder die gottgewirkte Rettung des Gottverlassenen (vgl. 2 Korinther 5,21) zu denken im Stande sind. Was für die intellektuelle Bemächtigung des Geglaubten gilt, treibt in der gesetzlichen Ermächtigung klerikaler Schicksalsträger allerdings seine eigenen Blüten. Wie kann auch ein Diener zugleich Herrschaft ausüben? Daran kann man nur irrewerden … oder sich mit Heiligkeit vergiften und an jener sakralen Sepsis erkranken, vor der weiland der Höchste den Mose warnte, als der die Herrlichkeit des Herrn schauen wollte:

Ich will meine ganze Güte vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des HERRN vor dir ausrufen. Ich bin gnädig, wem ich gnädig bin, und ich bin barmherzig, wem ich barmherzig bin. Weiter sprach er: Du kannst mein Angesicht nicht schauen; denn kein Mensch kann mich schauen und am Leben bleiben. Dann sprach der HERR: Siehe, da ist ein Ort bei mir, stell dich da auf den Felsen! Wenn meine Herrlichkeit vorüberzieht, stelle ich dich in den Felsspalt und halte meine Hand über dich, bis ich vorüber bin. Dann ziehe ich meine Hand zurück und du wirst meinen Rücken sehen. Mein Angesicht kann niemand schauen. Exodus 33,19-23

Manch einer von denen, die behaupten, durch die Weihe ontologisch verändert worden zu sein und nun in persona Christi zu handeln, verwechseln sich mit der Zeit wohl mit dem Höchsten selbst. Sie glauben wohl, per Kirchengesetz umfassend ermächtigt und unangreifbar zu sein. Sie stehen über den Gewöhnlichkeiten der Welt und natürlich auch den Laien, jenen Schwestern und Brüdern, denen zu dem entscheidenden „Mit-“ halt Handauflegung und Gebet fehlen. Jedenfalls kleiden sich manche wie die Herrlichkeit des Herrn persönlich oder möchten wohnen wie Gott auf Erden5). Das betrifft nicht nur Kardinäle mit Hang zu textiler Spitzenqualität, die ihr klerikales Schicksal zwar nicht vor sich her tragen, aber doch in Form einer meterlangen Cappa Magna hinter sich her schleppen6) oder Bischöfe mit Hang zu himmlischen Wohnsituationen wie der ehemalige Bischof von Limburg Franz-Peter Tebartz-van Elst7), der wie Ikarus erste Klasse fliegen wollte, dem Gold der Sonne zu nahekommend aber aus dem Himmel in die Niederungen des Vatikan gefallen ist. Leute, möchte man den ontologisch Differenzierten zurufen, werdet nicht menschlich indifferent. Ihr bleibt Menschen, ihr seid nicht Christus, ihr handelt bestenfalls in seinem Namen – und geratet doch permanent auf Abwege. Es mag stimmen, was der Katechismus der Katholischen Kirche den Hl. Augustinus zitierend sagt:

„‚Der stolze Amtsträger ist dem Teufel zuzuordnen. Die Gabe Christi wird deswegen nicht befleckt; was durch ihn ausfließt, behält seine Reinheit; was durch ihn hindurchgeht, bleibt lauter und gelangt zum fruchtbaren Boden… Die geistliche Kraft des Sakramentes ist eben dem Licht gleich: wer erleuchtet werden soll, erhält es in seiner Klarheit, und wenn es durch Beschmutzte geht, wird es selbst nicht schmutzig‘ (ev. Jo. 5,15).“8)

Das Licht Christi wird durch das verderbliche Handeln mancher herrschaftssüchtiger Diener nicht verdunkelt werden. Ihr Gift aber fließt in den Adern der Kirche und vergiftet den Leib Christi. Die sakrale Sepsis hat das Volk Gottes längst befallen.

Wort und Tat

Wer viel redet, aber nicht handelt, gilt schnell als Schwätzer. Wer nicht so handelt, wie er redet, ist ein Heuchler. Wer Christus repräsentieren will, weil er durch die Weihe vorgeblich ontologisch erhöht ist, dann aber verderblich handelt, ist erbärmlich. Was soll man etwa von einem Bischof halten, der mutmaßlich eine an Demenz leidende ältere Dame um ein großes Vermögen erleichtert, um davon eine Wohnung zu kaufen, ohne dass es eine Gegenleistung gäbe9). Der Staatsanwalt ermittelt, der Weihbischof lässt seine Ämter ruhen – zurücktreten kann er ja nicht, die ontologische Ermächtigung ist ja unauslöschlich … Ob dem so Gefallenen der eschatologische Schreck in die Glieder fährt? Was will er dem Herrn der Barmherzigkeit entgegenhalten, wenn es in der Schrift doch heißt

Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Matthäus 5,7

War er mit der ihm Anvertrauten etwa barmherzig? Schon aber hört man die ersten Stimmen von den Kanzeln, die die Fragen der Glaubenden mit dem Hinweis beantworten, man möge doch bitte mit diesem Armen barmherzig sein, schließlich heiße es doch in der Schrift:

Seid gütig zueinander, seid barmherzig vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat. Epheser 4,32

Und der Autor des 1. Petrusbriefes schreibe:

Endlich aber: seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig! 1 Petrus 3,8

Das Problem mit diesen Texten ist, dass sie nicht als Freibrief herangenommen werden können. Die Einzige, die im aktuellen Fall des Aachener Weihbischof vergeben könnte, ist eben jene ältere Dame, deren Vermögen veruntreut wurde. Sie ist aber nicht mehr geschäftsfähig und der für sie bestellt rechtliche Betreuer muss von einer Vergebung absehen, sonst würde er sich selbst schuldig machen. Vergeben ist nicht mehr die Kategorie, die hier greifen kann. Hier gilt es, im Fegefeuer der Barmherzigkeit Gerechtigkeit zu üben. Barmherzigkeit und Gerechtigkeit sind Korrelate, die man nicht voneinander trennen kann. Ein Kleriker, der seine Macht über andere zum eigenen Vorteil genutzt hat, kann nicht einfach Barmherzigkeit verlangen, ohne dass Gerechtigkeit hergestellt würde; die Barmherzigkeit wäre dann eine fortgeführte Ungerechtigkeit und eben nicht barmherzig.

Ontologisch barmherzig

Noch schlimmer aber ist die Nonchalance, mit der die klerikalen Fehltritte – angefangen von banalen Luxusflugreisen, die schon eine Lüge wert zu sein scheinen, über die treulose Begleitung Argloser, bis hin zu den schweren Missbrauchsfällen – immer wieder vertuscht wurden und bisweilen noch werden. Es ist schon bezeichnend, wie oft klerikale Vorgesetzte angesichts der Taten von Klerikern die Barmherzigkeit in Anschlag bringen, die man doch dem armen Gefallenen gewähren müsse, während von der Barmherzigkeit mit den Opfern oft genug nicht die Rede war und sie bis heute um ihr Leben kämpfen müssen. Nein: die Täter zeigen, dass sie keine ontologisch Erwählten, sondern einfach nur Täter mit Priesterkragen sind. Es ist in vielen klerikalen Köpfen noch nicht angekommen, aber die Mär von der ontologischen Differenz wird durch jedes Offenbarwerden kleinerer und größerer Verfehlungen Lügen gestraft. Der Nimbus ist fort. Wenn die sakrale Sepsis noch geheilt werden soll, muss jede Form des Klerikalismus ausgemerzt werden – das heißt aber konkret, dass das Klerikertum an sich neu gedacht werden muss. Es heißt doch im Galaterbrief:

Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Galater 3,27-28

Kann es wirklich eine über die Taufe, in der die Getauften doch Christus angezogen haben, wie ein Gewand, eine noch größere Ähnlichkeit geben, die eine angebliche „ontologische Differenz“ rechtfertigt? Kann es im einen Volk Gottes jene geben, die gleicher sind als gleich oder brüderer als Brüder und Schwestern? Und wenn, müssen dann nicht die, die diesen Machtdienst ausüben, nicht in besonderer Weise jene Barmherzigkeit üben, die ihr Vorbild sogar seligpreist:

Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Matthäus 5,7

Strafen diese ganzen, nicht enden wollenden Nachrichten über klerikale Machtmissbräuche nicht die vermeintliche Ermächtigung als Autosuggestion. Oder wird hier ein kirchliches Ermächtigungsgesetz entlarvt, das letztlich nicht, wie bei Ermächtigungsgesetzen üblich, ins Verderben statt ins Heil führt? Der Hang zum wahren Glauben korrespondiert jedenfalls zu oft mit der Sucht nach guter Spitzenkleidung und schönem Wohnen, als das hier noch von Christusähnlichkeit gesprochen werden könnte.

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Einzug der Bundeslade in den Tempel (aus: aus Très Riches Heures du Duc de Berry, Miniatur von 1412–1416 der Brüder von Limburg und Jean Colombe)

Wohnen wie Gott auf Erden

Wenn sie doch nur ihr Vorbild wahrhaftig repräsentieren würden. Die Wohnverhältnisse Jesu waren jedenfalls wesentlich schlichter. Er selbst sagt nicht nur über sich:

Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. Matthäus 8,20

In der Tat scheint Jesus selbst kein Ort in diesem Sinn sein Heim genannt zu haben. Darauf lässt eine bemerkenswerte Notiz am Beginn des Markusevangeliums schließen. Er scheint dort nach der Johannestaufe durch Galiläa zu wandern. Am See Genezareth beruft er die ersten Jünger, mit denen er nach Kafarnaum geht. Dort predigt er in der Synagoge und kehrt dann in das Haus des Simon und Andreas ein. Nach der Heilung der Schwiegermutter des Petrus heißt es dort:

Am Abend, als die Sonne untergegangen war, brachte man alle Kranken und Besessenen zu Jesus. Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten, und trieb viele Dämonen aus. Und er verbot den Dämonen zu sagen, dass sie wussten, wer er war. Markus 1,32-34

Vor der Haustür (πρὸς τὴν θύραν – gesprochen: pròs tèn thyran) sammelt sich die Menschenmenge. Hier finden viele Heilungen statt. In der Öffentlichkeit lässt Jesus seinen Worten aus der Synagoge Taten folgen – nicht im Verborgenen, nicht hinter hohen Mauern, sondern auf der Straße. Die Straße ist der Wohnort Gottes auf Erden. In einem Zelt wohnt er solange inmitten seines Volkes (vgl. Exodus 25,8f und Exodus 26), bis er in den Tempel eingeht – eine Entscheidung, die freilich allein Gott obliegt:

Aber in jener Nacht erging das Wort des HERRN an Natan: Geh zu meinem Knecht David und sag zu ihm: So spricht der HERR: Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne? Seit dem Tag, als ich die Israeliten aus Ägypten heraufgeführt habe, habe ich bis heute nie in einem Haus gewohnt, sondern bin in einer Zeltwohnung umhergezogen. Habe ich in der Zeit, als ich bei den Israeliten von Ort zu Ort zog, jemals zu einem der Stämme Israels, die ich als Hirten über mein Volk Israel eingesetzt hatte, ein Wort gesagt und sie gefragt: Warum habt ihr mir kein Haus aus Zedernholz gebaut? (…) Nun verkündet dir der HERR, dass der HERR dir ein Haus bauen wird. Wenn deine Tage erfüllt sind und du dich zu deinen Vätern legst, werde ich deinen leiblichen Sohn als deinen Nachfolger einsetzen und seinem Königtum Bestand verleihen. Er wird für meinen Namen ein Haus bauen und ich werde seinem Königsthron ewigen Bestand verleihen. 2 Samuel 7,4-7.11b-13

Aber selbst in der „Immobilie“ Tempel wird die Erinnerung an das Mitziehen Gottes gewahrt, in dem das Offenbarungszelt mit der Lade in den Tempel überführt wird:

Alle Ältesten Israels kamen und die Priester nahmen die Lade und brachten sie zugleich mit dem Offenbarungszelt und den heiligen Geräten, die im Zelt waren, hinauf. Die Priester und die Leviten übernahmen den Trägerdienst. König Salomo aber und die ganze Gemeinde Israels, die bei ihm vor der Lade versammelt war, schlachteten Schafe und Rinder, die man wegen ihrer Menge nicht zählen und nicht berechnen konnte. Darauf stellten die Priester die Bundeslade des HERRN an ihren Platz, an den hochheiligen Ort des Hauses, in das Allerheiligste, unter die Flügel der Kerubim. Denn die Kerubim breiteten ihre Flügel über den Ort, wo die Lade stand, und bedeckten sie und ihre Stangen von oben her. Die Stangen waren so lang, dass man ihre Spitzen im Heiligtum vor dem hochheiligen Ort sehen konnte; draußen aber waren sie nicht zu sehen. Sie blieben dort bis zum heutigen Tag. 1 Könige 8,3-8

Erzählerisch spielt das Offenbarungszelt danach keine Rolle mehr. Der Tempel wird zum Ort der Einwohnung Gottes. Im Neuen Testament wird die alte Tradition des Wohnens Gottes mitten unter den Menschen, seiner Einwohnung in einem Zelt allerdings wieder aktiviert. So weiß auch der Evangelist Johannes, dass es Gottes Sache nicht ist, in Gotteshäusern aller Art, seien es Tempel, Kirchen oder Kathedralen, zu wohnen, sondern im Zelt mit den Menschen und seinem Volk auf dem Weg zu sein. Hymnisch dichtet er in „seinem Weihnachtsevangelium“, dem Prolog:

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes 1,14

Die Einheitsübersetzung von 2016 übernimmt hier die Einheitsübersetzung von 1980. Auch die revidierte Lutherübersetzung von 2015 übersetzt hier „wohnen“. Dabei leitet sich das fragliche Verb im altgriechische Urtext σκηνοῦν (gesprochen: skenoûn) vom Substantiv σκηνή (gesprochen: skené) ab, das ursprünglich das Nomadenzelt bezeichnet ab. „Wohnen“ ist deshalb nicht falsch; „zelten“ wäre exakter. Gott wohnt nicht auf Erden, er zeltet in menschlicher Gestalt ein.

Komm her oder geh hin

Der Unterschied mag marginal sein. In der semantischen Tiefe aber ist er eklatant. Wer in einem festen Haus wohnt, ist immobil. In einer Immobilie kann er Reichtümer horten und Besitz einlagern. Wer mit dem Zelt unterwegs ist, muss sich bescheiden. Er kann nur besitzen, was er mitnehmen kann. Haus oder Zelt – das sind nicht nur unterschiedliche Wohnmöglichkeiten. Hinter den Wohnstätten verbergen sich Lebenshaltungen. Jesus selbst scheint von Anfang an ein Zelter gewesen zu sein – immer unterwegs, manchmal wohl ohne Obdach, wenn er in der Natur nicht wie ein Fuchs eine Höhle oder wie ein Vogel ein Nest zur Verfügung hatte, oft zu Gast bei Jüngern, Gönnern oder bisweilen auch bei solchen, die sich mit der Nähe des berühmten Rabbi schmücken wollten, wie etwa der Pharisäer, in dessen Haus es zu Salbung durch die Sünderin kommt (vgl. Lukas 7,36-50).

Die Unbehaustheit macht mobil. Sie bringt mit sich, dass Jesus zu den Menschen gehen kann. Ja, die Menschen kommen auch zu ihm – weil sich verbreitet hat, dass da jemand ist, der Worten Taten folgen lässt. Vorausgeht aber immer das Gehen Jesu zu den Menschen. Vor jedem „Komm her“ steht seinerseits ein Zu-den-Menschen-Gehen. Genau das aber hat die Kirche längst verlernt. Sie hat edle Gotteshäuser gebaut, feiert prächtige Riten, schmückt sich mit Gold, Silber und Seide – alles angeblich zur höheren Ehre eines Gottes, der lieber in einem Zelt bei den Menschen wohnt. Vielleicht ist es dann doch eher zur Ergötzung der Selbstermächtigten …

Den falschen Worten und den fehlenden lassen die Menschen jedenfalls zunehmend Taten folgen und gehen. Was soll man auch von solchen halten, die immer wieder zu Spenden für die Armen aufrufen, um dann davon Luxuswohnungen in London zu kaufen10). Wie oft noch wollt ihr angeblichen Christusrepräsentanten den Namen Jesu noch in den Dreck ziehen? Wie lange noch wollt ihr den Leib Christi mit eurer gewöhnlichen Heiligkeit vergiften? Ihr solltet es Christus wirklich ähnlich tun und auf der Straße leben. Das würde euch nicht nur vor falschen Selbstüberhöhungen bewahren, sondern die wahre Größe Gottes erkennen lassen, dem es gefällt, zu zelten statt in Palästen zu wohnen. Es steht nur zu fürchten, dass eure Ermächtigung keine Umkehr möglich macht – einmal geweiht ist halt immer geweiht. Wer so dient, braucht keine Herrscher mehr – er ist ja selbst ermächtigt.

Und Gott? Es ist Advent – Ankunftszeit! Gott zieht in seinem Zelt mit den Menschen. Er ist halt ein Gott der Lebenden. Er ist da. In der Stadt und auf der Straße, im Nächsten am Wegesrand. Braucht es da noch Mittler, ihn zu erkennen? Wie weit doch ontologische Differenzen entfernen können …

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Bildnachweis

Titelbild: Rudolf von Ems: Weltchronik. Böhmen (Prag), 3. Viertel 14. Jahrhundert. Hochschul- und Landesbibliothek Fulda, Aa 88. Miniatur 53 124v Mose und das Volk vor dem Bundeszelt (Geistsendung) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei.

Bild 1: Die Bundeslade wird in den Tempel getragen, aus Très Riches Heures du Duc de Berry, Miniatur von 1412–1416 der Brüder von Limburg und Jean Colombe – Quelle: Wikicommons – lizenziert als gemeinfrei.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Katechismus der Katholischen Kirche (1997), Nr. 1581, Quelle: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P54.HTM [Stand: 8. Dezember 2019].
2. Katechismus der Katholischen Kirche (1997), Nr. 1583, Quelle: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P54.HTM [Stand: 8. Dezember 2019].
3. Katechismus der Katholischen Kirche (1997), Nr. 1584, Quelle: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P54.HTM [Stand: 8. Dezember 2019].
4. Katechismus der Katholischen Kirche (1997), Nr. 1584, Quelle: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P54.HTM [Stand: 8. Dezember 2019].
5. Siehe hierzu auch den erhellenden Beitrag (leider nur auf englisch) von Fr. Peter Daly, Goodbye, Climbers! We need to restore servant leadership in the priesthood, in: National Catholic Reporter, 9.12.2019, Quelle: https://www.ncronline.org/news/goodbye-climbers-we-need-restore-servant-leadership-priesthood?fbclid=IwAR0BQSTrscELhmWGwjOtgxrx9AmQdsT2HVSecVPEqCK-ULxH04aO6335VYw [Stand: 10. Dezember 2019].
6. Vgl. hierzu https://www.domradio.de/themen/vatikan/2019-11-22/nichts-anderes-als-provokation-debatte-um-kardinal-burke-der-cappa-magna (22.11.2019) [Stand: 8. Dezember 2019].
7. Vgl. hierzu https://www.kirche-und-leben.de/artikel/so-wars-vor-fuenf-jahren-trat-bischof-tebartz-van-elst-zurueck/ (31.3.2019) [Stand: 8. Dezember 2019].
8. Katechismus der Katholischen Kirche (1997), Nr. 1584, Quelle: http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P54.HTM [Stand: 8. Dezember 2019].
9. Vgl. Hierzu Hubert Gude, Weihbischof lässt nach schweren Vorwürfen seine Ämter ruhen, in: SPON, 5.12.2019, Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/johannes-buendgens-aachener-weihbischof-laesst-nach-schweren-vorwuerfen-seine-aemter-ruhen-a-1299850.html [Stand: 8. Dezember 2019].
10. Vgl. hierzu https://www.katholisch.de/artikel/23328-vatikan-fragwuerdige-investitionen-in-hoehe-500-millionen-euro [Stand: 8. Dezember 2019].
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