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Wasser ist ein Menschenrecht: 2010 wurde in der Vollversammlung der Vereinten Nationen das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht anerkannt.1) Ca. 663 Millionen Menschen haben aber weiterhin weltweit keinen Zugang zu sauberem Wasser,2) während in Deutschland das frische Trinkwasser für nur 2 Cent pro Liter direkt in jedes Haus kommt.3) Auf der Homepage des Lebensmittelkonzerns Nestlé wird dafür geworben, dass „Wasser einen Wert im Sinne von Wertschätzung haben sollte, damit alle zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Wasser angehalten werden“4). Der Wert von privatisiertem Wasser für Nestlé lässt sich genau angeben: Durch den Verkauf von Wasser machte Nestle 2016 weltweit einen Umsatz von 7,41 Milliarden Franken (ca. 6,81 Milliarden Euro).5) In den USA, in Michigan zum Beispiel bezahlt das Unternehmen 200 US-Dollar (ca. 180 Euro) Entnahmegebühr für 500.000 Tonnen Quellwasser und macht damit einen Gewinn von über 100 Millionen US-Dollar (ca. 89,58 Millionen Euro).6) Nestlés Geschäftsmodell ist die Privatisierung des Gemeingutes Wasser. Wenn aber der Zugang zu sauberem Wasser ein Menschrecht ist, dann muss der kapitalistischen Wertschöpfung eine deutliche Grenze gesetzt werden: Wer sich an einem Gemeingut bereichert, ist verantwortlich für jeden, der keinen Zugang zu diesem Gemeingut hat.
Meins oder Deins
Schon in alttestamentlicher Zeit war der Zugang zu Quellen, Brunnen und Zisternen reglementiert. Wer einen Brunnen grub, dem gehörte das sich darin befindliche Wasser (siehe Gen 21,30). Schon zu biblischer Zeit wurde um Wasser gekämpft:
Abraham stellte aber Abimelech zur Rede wegen des Brunnens, den ihm Abimelechs Knechte mit Gewalt weggenommen hatten.
Dies blieb keine Einzelepisode. Nach Abrahams Tod ließen die Philister seine Brunnen zuschütten und sein Sohn Isaak musste sie wieder freilegen (siehe Genesis 26,18) – und um jeden neuen Brunnen, den er grub, gab es einen Konflikt:
Die Knechte Isaaks gruben im Bachtal und fanden dort einen Brunnen mit frischem Wasser. Die Hirten von Gerar stritten mit den Hirten Isaaks und sagten: Uns gehört das Wasser.
Wem gehörte das Wasser? Das Buch Genesis berichtet nicht, wie der Streit endet, sondern es wird direkt erzählt, dass Isaak einen neuen Brunnen an einem anderen Ort graben ließ, um den wiederum gestritten wurde. Der Streit endet erst, als der Nomade Isaak aufbricht und an einer anderen Lagerstätte einen Brunnen graben lässt, auf dessen Wasser niemand anderes einen Besitzanspruch erhebt.
Darauf brach er [Isaak] von dort auf und grub wieder einen anderen Brunnen. Um ihn stritten sie nicht mehr.
Die halbjährige Trockenheit im Land der Bibel, die mit der regelmäßigen Erfahrung von Dürre und Wassernot einherging (siehe z.B. Jeremia 14,1-6), konnte Wasser zu einem umkämpften Gut werden lassen.
Unser
Damals wie heute ist Wasser lebenswichtig. Als Gemeingut wurde in den biblischen Schriften Wasser dadurch aber nicht nur zum Grund für Konflikte. Die Versorgung von Durstigen, egal ob Fremder oder Bekannter, wurde als moralischer Imperativ angesehen. Selbst durstigen Feinden darf das Wasser nicht vorenthalten werden:
Hat dein Feind Hunger, gib ihm zu essen, hat er Durst, gib ihm zu trinken.
Wasser wird in den Worten des Propheten Elischa gar selbst zur Waffe des Friedens. Die Truppen des Königs von Aram, die Israel bedrohen und den Propheten töten wollen, lässt Gott durch Elischa in die Gewalt Israels fallen – und als der König von Israel den Propheten daraufhin fragte, ob er die Gefangenen erschlagen solle, antwortete Elischa:
Töte sie nicht! Erschlägst du denn jene, die du mit deinem Schwert und Bogen gefangen nimmst? Setz ihnen Brot und Wasser vor, damit sie essen und trinken, und dann zu ihrem Herrn zurückkehren!
Nachdem der König die hungrigen und durstigen Feinde versorgt hatte, ließ er sie zum König von Aram zurückkehren und dies wird als Beginn einer langen Friedenszeit zwischen Israel und Aram berichtet. Egal, ob ein Feind, ein Fremder oder ein Bekannter Durst hat: der Durstige hat ein Recht auf Wasser.
Nötig
Trinkwasser ist ein Gemeingut, zu dem jeder Mensch Zugang haben muss. Mit dieser Aussage wird nicht bestritten, dass Wasser privatisiert werden kann. Das Buch der Klagelieder berichtet, dass selbst in biblischer Zeit für Wasser bezahlt werden musste:
Unser Wasser trinken wir für Geld, unser Holz müssen wir bezahlen. Wir werden getrieben, das Joch auf dem Nacken, wir sind müde, man versagt uns die Ruhe.
Für Wasser bezahlen zu müssen, ist ein Anzeichen großer Not. Wasser muss, da es überlebenswichtig ist, frei zugänglich sein. Es muss als Lebensspender wertgeschätzt werden, anstatt es zur Wertschöpfung zu missbrauchen. Die 663 Millionen Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, finden im Buch Jesaja eine Hoffnung:
Die Elenden und Armen suchen Wasser, doch es ist keines da; ihre Zunge vertrocknet vor Durst. Ich, der HERR, will sie erhören, ich, der Gott Israels, verlasse sie nicht.
Und die restliche Menschheit, die Lebensmittelkonzerne wie Nestle und die Regierungen der Welt müssen sich dem Vorwurf Elifas des unrechten Handelns stellen: Warum tränkst Du den Durstigen nicht mit Wasser? (siehe Ijob 22,4)
Bildnachweis
Titelbild: Wasser in der Wüste, fotografiert von Ken Kistler. Lizenz: CC0 1.0 Universal.
Einzelnachweis
1. | ↑ | Vgl. „64/292. The human right to water and sanitation”, United Nations General Assembly, 28.06.2010 [Stand: 23. Juni 2017]. |
2. | ↑ | Vgl. „Wasserbericht 2016“, Welthungerhilfe [Stand: 23. Juni 2017]. |
3. | ↑ | „Das zahlen Sie im Durchschnitt für 1 Liter Trinkwasser“, Focus Online, 09.06.2017 [Stand: 23. Juni 2017]. |
4. | ↑ | „Ist Wasser ein Menschenrecht für Nestlé?“, Nestlé [Stand: 23. Juni 2017]. |
5. | ↑ | „Umsatz von Nestlé mit Wasser weltweit in den Jahren 2010 bis 2016 (in Millionen Schweizer Franken)“, statista [Stand: 23. Juni 2017]. |
6. | ↑ | „200 Dollar Entnahmegebühr – so saugt Nestlé eine Gegend trocken“, Stern, Gernot Kramper, 2.06.2017 [Stand: 23. Juni 2017]. |