Ecclesiastica

Prophetisches Salz Über Fragen, Zeichen und Jesaja in Zeiten der Kirche


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Es ist Zeit für Zeichen und zugleich herrscht der schriftstellerische Aktionismus – der zudem auch wunderbar marktkonform ist. Radikale Vorschläge werden gemacht, die es zu diskutieren gilt. Sollen die Kirchenämter nicht besser nur auf Zeit verliehen werden?1) Wäre eine Bezahlung von Priestern entsprechend dem Hartz-IV-Regelsatz nicht ein prophetisches Zeichen?2) Keine dieser Fragen ist falsch gestellt und sie werden diskutiert, ja, es ist gut, dass sie diskutiert werden – bis aus einer anderen Richtung die nächste Frage eingeworfen wird. Aber eine Frage ist bekanntlich noch kein die Welt veränderndes Zeichen. Wo ist ein „prophetisches Zeichen in dieser Welt, das eschatologisch auf unsere Hoffnung nach diesem irdischen Leben verweist und damit Ausdruck des Ernstfalls des Gottvertrauens ist“3)?

Aus dieser Grundfrage ergeben sich neue Fragen, die nach einer Reform streben und so gibt es mehr Fragen als Antworten. Eine grundsätzliche Anfrage verliert sich dann doch oft zu schnell im Konkreten. Und bei aller Diskussion um die Form droht der Inhalt leer zu werden – so spricht man von der Glaubens- oder der Verkündigungskrise. Es sei Zeit über die Neuevangelisierung zu sprechen! Und dann verdrängt die Diskussion über ein Konzept das eigentliche Zeugnis. Wie schwer fällt es doch, darüber zu reden, was man glaubt! Und nun auch hier, in diesem Text, wieder eine Frage – schon die zweite Frage: Wo bin ich als Christ in dieser Welt ein prophetisches Zeichen, das auf Gott verweist? Oder allgemeiner formuliert: Wie wird aus der Kirche, wie wird aus jedem einzelnen Gläubigen ein „prophetisches Zeichen“, ein Zeichen in dieser Welt für das Wort Gottes? Eine radikale Antwort darauf, was ein prophetisches Zeichen ist, bietet das Buch Jesaja. Der Prophet stellt sein persönliches Leben in den Dienst des Zeichens.

In jener Zeit hatte der HERR durch Jesaja, den Sohn des Amoz, gesprochen und gesagt: Geh, löse das Sacktuch von deinen Hüften und ziehe deine Sandalen von deinen Füßen aus! Er hatte so gehandelt. Er war nackt und barfuß umhergegangen. Jesaja 20,2

Gottes Wort und Jesajas Zeichenhandlung ereignen sich gemäß der Aussage des Buches in einer konkreten geschichtlichen Situation: dem Feldzug des assyrische König Sargon II in den Jahren 712-711 v. Chr. Die prophetische Zeichenhandlung reagiert somit auf eine Realität und ist zugleich selbst eine Wirklichkeit in Raum und Zeit. Und der Prophet zögert nicht. Er demonstriert Gottes Gegenwart und Beistand in dieser Situation, selbst wenn ihn dies in öffentliche Verlegenheit bringt. Eine solche Tat würde heute als Straßentheater, eine extreme Form der Demagogie oder als Ausdruck von Wahnsinn abgewunken werden. Man stelle sich nur vor, dass jemand verkünden würde, er liefe nackt durch die Gegend, weil Gott es ihm befohlen hat! Doch im Buch Jesaja ist des Propheten Handeln entsprechend dem Befehl Gottes ein Mittel der Verkündigung.

Da sagte der HERR: Wie mein Knecht Jesaja drei Jahre lang nackt und barfuß umherging als Zeichen und Sinnbild gegen Ägypten und Kusch, so wird der König von Assur die Gefangenen Ägyptens und die Verschleppten Kuschs wegtreiben, Junge und Alte, nackt, barfuß und mit entblößtem Gesäß, zur Schande Ägyptens. Jesaja 20,3-4

Der historische Hintergrund dieses Gotteswortes ist Kritik: Israel soll nicht auf Ägypten als Schutzmacht vertrauen, sondern auf Gott. Diese Geschichte ist passé. Die Erzählung dieser prophetischen Zeichenhandlung aber bleibt und sie lehrt, dass Worte und Taten eine göttliche Wirklichkeit anzeigen und schaffen. Als diejenigen, die an Jesus Christus als Wort Gottes glauben, zu reden und zu handeln, das ist das prophetische Salz, das der Welt ihren christlichen Geschmack verleihen könnte. Wie wird die Kirche wieder ein prophetisches Salz für die Welt? Diese Frage ist die Einleitung zu jeder weiteren Frage, die auf eine Reform zielt. Als prophetisches Salz zu leben, ist kein Aktionismus, sondern es ist ein Wagnis das nicht nur Frage, sondern Antwort sein will. Jesaja ging drei Jahre völlig entblößt durch die Gesellschaft, bevor Gott dies nicht als Wahnsinn brandmarkte, sondern als prophetisches Zeichen offenbarte – nein, ich bin kein Prophet, aber würde ich blankziehen für Gott?

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Bildnachweis

Titelbild: Undressing By A Wall. Fotografiert von Garry Knight. Lizenz: CC BY-SA 2.0.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Siehe „Hochschulpfarrer kann sich Priesteramt auf Zeit vorstellen“, katholisch.de/KNA, 13.10.2019.
2. Siehe „Prekariat statt Zölibat“, Nikodemus Schnabel, katholisch.de, 16.10.2019.
3. Als ein solches beschreibt Nikodemus Schnabel den Zölibat in seinem Standpunkt-Text: „Prekariat statt Zölibat“, katholisch.de, 16.10.2019.
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