Mut ist bekanntlich wie ein Regenschirm. Wenn man ihn am dringendsten benötigt, fehlt er. Demotiviert fühlt man sich klein und unbedeutend vor den Herausforderungen der Zeit – und wie ein begossener Pudel schaut man verzweifelt nach oben oder verschließt die Augen. Demütig glaubt man sich in die gegebene Situation einfügen zu müssen. Demut ist doch eine christliche Tugend! – aber nicht, wenn sie eine niedrige Gesinnung bedeutet. Schon die Herkunft des deutschen Wortes „Demut“, führt uns vor Augen, dass es „Mut zum Dienen“ (althochdeutsch: diomuot) bedarf, um demütig zu sein. Für uns Christen bedeutet dieser Mut, dass wir uns inmitten der Welt für Gott erniedrigen und zugleich über keinen Menschen erhöhen (siehe Matthäus 23,12).
Der Herr widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade.
Das Fundament der Gottesbeziehung ist bereits im Alten Testament die demütige Anerkennung der Abhängigkeit und Angewiesenheit auf Gott. Dass dies keinen Stillstand oder ängstliches Verharren, sondern eine Lebensmaxime bedeutet, hat Paulus dem Christentum ins Stammbuch geschrieben, als er einleitend zu einem aus der frühesten christlichen Tradition übernommenen Christuslied schreibt:
Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.
Der sogenannte Philipper-Hymnus, der auf diese Worte folgt, führt vor Augen, dass Christus, dessen Dasein göttlich ist, sich selbst erniedrigt hat und den Status eines Sklaven zum Wohl der Menschheit angenommen hat (Philipper 2,6-11). Er, der auf Macht verzichtet, um den Menschen gegenüber Demut zu erweisen (bis hin zum Kreuz!), ist das Vorbild für christliches Handeln. Christus ist kein weltlicher König oder Richter, sondern ein Sklave der Menschheit. Er ist nicht in diese Welt gekommen,
um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Doch ganz ohne Hierarchien kommt auch das Christentum nicht aus. Schnell bildeten sich in den noch jungen Gemeinden Ämter aus. Jesus selbst hatte Apostel erwählt. Im Petrusbrief werden die als „Ältesten“ bezeichneten Vorsteher der Gemeinde dann auf eine Stufe mit den Aposteln erhöht. Menschliche Autorität hat auch im Christentum keinen Relevanzverlust erlitten, doch der christliche Umgang miteinander sollte eigentlich kein Spiel mehr von Unterdrückung und Aufbegehren sein.
Alle aber begegnet einander in Demut! Denn Gott tritt Stolzen entgegen, Demütigen aber schenkt er seine Gnade.
Das alttestamentliche Buch der Sprichwörter lehrt, dass der Ehre die Demut vorangeht (Sprichwörter 15,33; 18,2; 22,4). Auch der Ehre der Kirche täte es gut, wenn Gläubige einander und den Mitmenschen mutig mit Demut begegnen würden, statt sich über sie zu erheben.
Bildnachweis
Titelbild: “Humilitas auf Portal des Baptisterium San Giovanni in Florenz” fotgrafiert von Hermann Junghans. Lizenz: CC BY-SA 3.0.