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Res publica·Sanitas

COVID-19-Pandemie in Zeiten der Bibel Quarantäne und Ausgangssperre im Alten Testament


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Es gibt keine Grenzen und keine Unterschiede zwischen Völkern – zumindest nicht für das umgehende Coronavirus SARS-CoV-2 und die COVID-19-Pandemie. Wissenschaftlich kalt wirken diese Bezeichnungen – so eisig kalt, wie die mittlerweile Tausenden von Toten, die dem Virus zum Opfer gefallen sind. Und auch gesellschaftlich wird das Klima notgedrungen kühler: Soziale Distanzierung, Quarantäne und Ausgangssperren trennen eine Gesellschaft, die es doch gerade jetzt nötig hat, zusammenzustehen. Nun müssen neue Grenzen gezogen werden, die Kollegen, Freunde und Nachbarn zumindest räumlich voneinander trennen. Dies wirkt radikal und surreal, doch diese Maßnahmen haben sich seit biblischen Zeiten bewährt.

Quarantäne

Gemeinschaft ist kein Heilmittel im Falle einer ansteckenden Infektion. Schon das Buch Levitikus spricht da eine deutliche Sprache betreffs des Infizierten:

Er soll abgesondert wohnen, außerhalb des Lagers soll er sich aufhalten. Levitikus 13,45

Zum Schutz der Gemeinschaft muss der Einzelne isoliert werden. Radikal wird gar gefordert, dass er seine Mitmenschen selbst vor sich warnt. „Unrein! Unrein!“ soll er ausrufen und so in seiner Abgeschiedenheit die Distanz aufrechterhalten. Im Buch Levitikus geht es um eine hochansteckende Hautkrankheit, die fälschlicherweise oft mit Lepra identifiziert wurde und wird. In der Zeit vor der modernen Medizin und als es noch keine Ärzte gab, bedurfte es schon in solchen Fällen einer Instanz, die die Gesellschaft vor dem Infizierten – oder besser gesagt der Krankheit – schützte.

Der Priester soll das Anzeichen auf der Haut untersuchen. Wenn das Haar an der kranken Stelle weiß wurde und die Stelle tiefer als die übrige Haut liegt, ist es Aussatz. Nachdem der Priester das Anzeichen untersucht hat, soll er den Erkrankten für unrein erklären. Levitikus 13,3

In der damaligen Zeit galt dabei, wie auch heute, die notwendige Vorsicht. Schon ein Verdachtsfall muss ernstgenommen werden.

Wenn aber auf der Haut ein weißer Fleck besteht, der nicht merklich tiefer als die übrige Haut liegt, und das Haar nicht weiß geworden ist, soll der Priester den Befallenen für sieben Tage absondern. Am siebten Tag untersuche er ihn wieder. Wenn er mit seinen eigenen Augen feststellt, dass das Anzeichen gleich geblieben ist und sich auf der Haut nicht ausgebreitet hat, soll er ihn noch einmal für sieben Tage absondern und ihn am siebten Tag abermals untersuchen. Wenn er dann feststellt, dass das Anzeichen nachgelassen und sich auf der Haut nicht ausgebreitet hat, soll ihn der Priester für rein erklären. Es handelt sich um einen Ausschlag. Der Kranke soll seine Kleider waschen, dann ist er rein. Levitikus 13,4-6

Ausgangssperren

Anders als eine sichtbare Hautkrankheit ist SARS-CoV-2 unsichtbar. Gefühlt lauert der Virus überall und jeder kann durch ihn zum Todesengel werden. Die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie steht in direktem Zusammenhang mit den Bewegungsräumen eines jeden einzelnen Menschen. Stillstand ist somit zwar kein Heilmittel, aber eine gemeinsame Schutzmaßnahme. Die verschlossene Haustür wird so zum Zeichen der Barmherzigkeit. Im Buch Exodus, mitten auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung Gottes mit dem Pharao, um sein versklavtes Volk zu befreien, ist ebenso die „versiegelte“ Tür ein Zeichen, das zwischen Tod und Leben entscheidet. In dieser Erzählung ermordet Gott in der Nacht alle Erstgeburten Ägyptens, doch das Blut des Passahlammes an den Türrahmen schützt sein Volk. Während sie im Inneren ihrer Privathäuser im Kreis ihrer Familie Gottesdienst halten, sind sie geschützt.

Der HERR geht umher, um die Ägypter mit Unheil zu schlagen. Wenn er das Blut am Türsturz und an den beiden Türpfosten sieht, wird er an der Tür vorübergehen und dem Vernichter nicht erlauben, in eure Häuser einzudringen und euch zu schlagen. Exodus 12,23

Nein, der Coronavirus SARS-CoV-2 ist nicht die Tat Gottes und die COVID-19-Pandemie ist nicht das Werk des „Vernichters“, aber damals wie heute gibt es den heilsamen Unterschied zwischen draußen und drinnen. Und wenn ausgewählte Verse aus Exodus 12 in diesem Jahr am Gründonnerstag verkündet werden, steht dieses Kapitel in einem ganz neuen Erlebniskontext. Und hier sollte dann auch Raum für die offene Klage sein: Wozu, Gott? Warum dieses Leid?

Ich distanziere mich!

Die Gottesfrage und die Gottesklage haben immer ihr Recht. Nicht zu hinterfragen ist momentan hingegen, dass soziale – besser gesagt: physische – Distanzierung, Quarantäne und Ausgangssperren in der gegenwärtigen Situation zwischenmenschliche Akte der Nächstenliebe sind.

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Bildnachweis

Titelbild: Coronavirus. Lizenz: gemeinfrei auf Pixabay.

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