Kapitel
Ecclesiastica

Aus Dankbarkeit segnen Alttestamentliche Überlegungen zu #mutwilligSegnen, #liebegewinnt

Aller Segen kommt von oben – nicht von einer Kathedra, nicht durch eine Weihe, sondern aus dem Himmel. Gott ist die Quelle alles Segens (siehe Epheser 1,3). Daher ist es absurd, dass die für den 10. Mai angekündigten Segensgottesdienste für hetero- und homosexuelle Liebende ein Kirchenpolitikum sind. Statt Lobpreis erklingt Kritik, statt Segenfülle herrscht Zwietracht. Es wird gestritten über etwas, das kein Mensch vergibt, sondern Gott den Menschen schenkt.1)

Wer ist die Kirche, dass sie Menschen den Segen verbietet, den sie von Gott erbittet? Ein menschlicher Segen ist nichts anderes als eine an Gott gerichtete Bitte – und damit ein Lobpreis Gottes. In der Bitte werden die Macht Gottes über die Welt und die Geschichte und die Angewiesenheit des Geschöpfs gegenüber seinem Schöpfer anerkannt. Im Endeffekt sind die Segensgottesdienste doch ein öffentliches Bekenntnis zu Gott, der die Menschheit gesegnet hat (siehe Genesis 1,28).

Segen und auch der Fluch sind keine Magie und erst recht kein Automatismus. Was im Buch der Sprichwörter über das zwischenmenschliche Verfluchen steht, gilt auch für die Segnung:

Wie der Spatz wegflattert und die Schwalbe davonfliegt, so ist ein unverdienter Fluch; er trifft nicht ein. Sprichwörter 26,2

Theologisch bedenkenswert ist nicht die Frage, ob Gott auch homosexuellen Paaren seinen Segen schenkt – die Antwort auf diese Frage kann man getrost Gott überlassen. Sondern christlich beachtenswert ist, was zwischenmenschlich passiert, wenn Priester und Laien für Liebende den Segen Gottes erbitten. Denn „segnen“ bedeutet in der Sprache des Alten Testaments nicht einfach nur „segnen“.

Die Bedeutung des Segenswunsches

Im Alten Testaments sind Segenswünsche konkret Bitten an Gott um die Gabe eines langen Lebens, Wohlstand, Macht und Fruchtbarkeit (siehe Exodus 23,25-27) für andere Menschen. Als solche sind sie eine Reaktion aus Dankbarkeit und im Endeffekt ein Lobpreis über die zu segnende Person im Angesicht Gottes. In der Sprache des Alten Testaments gibt es kein Wort, dessen Bedeutungsumfang nur auf „danken“ begrenzt ist. Für die Dankbarkeit Gott gegenüber gibt es ein eigenes Wort (הודה, gesprochen: hodah), dessen eigentliche Bedeutung „loben“ ist. Gott zu danken, bedeutet ihn in aller Öffentlichkeit zu lobpreisen. Der zwischenmenschliche Dank wird im Bibelhebräischen häufig durch Wortbildungen aus dem Wortstamm ברך (gesprochen: barach) gebildet, dessen Grundbedeutung „segnen“ und auch „preisen“ ist.

David drückt seine Dankbarkeit gegenüber den Männern von Jabesch, die Saul ehrenvoll begraben haben, aus, indem er sie segnet:

Als man David berichtete, dass die Einwohner von Jabesch-Gilead Saul begraben hatten, schickte er Boten zu den Männern von Jabesch-Gilead und ließ ihnen sagen: Seid vom HERRN gesegnet (= ברכים), weil ihr Saul, eurem Herrn, dieses Wohlwollen erwiesen und ihn begraben habt. Möge der HERR euch jetzt auch sein Wohlwollen und seine Treue erweisen; auch ich will euch dafür Gutes tun, dass ihr das getan habt. 2 Sam 2,4-6

Und auch Noomi bringt ihren Dank zum Ausdruck, indem sie einen Segenswunsch ausspricht über Boas, der ihr und ihrer ebenso verwitweten Schwiegertochter Rut in der Not hilft:

Da sagte Noomi zu ihrer Schwiegertochter: Gesegnet sei (= ברוך) er vom HERRN, der seine Güte den Lebenden und Toten nicht entzogen hat. Rut 2,20

Der von einem Menschen für einen anderen Menschen erbetene Segen Gottes ist somit auch eine Danksagung, bzw. eine Dankestat.

Danke

Was wäre das für eine Welt, in der wir Menschen einfach mit Dankbarkeit begegnen könnten, weil sie von der Kirche, die ihre Liebe als Sünde betrachtet, – trotzdem – den Segen Gottes erbitten? Zum Glück ist Gottes Segen den Menschen nicht verfügbar.

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Bildnachweis

Titelbild: “Blessing” fotgrafiert von Andrea Leganza. Lizenz: CC BY-NC-ND 2.0.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Die Organisatoren begründen die angekündigten Segensgottesdienste folgendermaßen: „„Wir tun dies in unserer Verantwortung als Seelsorgerinnen und Seelsorger, die Menschen in wichtigen Momenten ihres Lebens den Segen zusagen, den Gott allein schenkt. Wir respektieren und schätzen ihre Liebe und glauben darüber hinaus, dass der Segen Gottes mit ihnen ist.“ – siehe das Statement unter https://www.liebegewinnt.de/statement/
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