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Großeltern-Mission Oder: Die Weitergabe des Glaubens


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“Ich bin als Kind nicht gerne in die Kirche gegangen, weil ich es sehr langweilig fand”, diese ehrlichen Worte finden sich im Fastenbrief des Erfurter Bischofs Ulrich Neymeyr für die Kinder und Jugendlichen.1) Die Messe ist kein Abenteuerspielplatz. Aber wo ist dann der Ort, an dem Kinder in den Glauben hineinwachsen können? An kirchlichen Angeboten mangelt es nicht: Kindergärten, Religionsunterricht, Erstkommunion- und Firmvorbereitung, Messdienergruppen, etc. Jede noch so kleine Kirchengemeinde hat viel zu bieten. Aber alle diese Angebote haben nur eine unterstützende Funktion: “Ohne die Familie als Hauskirche können Kinder nicht in den Glauben hineinwachsen.”2) Doch was helfen das ehrliche Bekenntnis und die wichtige Einsicht, wenn die Generation der jungen Eltern größtenteils schon nicht mehr regelmäßig in die Kirche geht oder gar keine Kirchenbindung mehr hat?

Fortsetzung

Anstatt mit düsterem Blick die Altersstrukturen der Kirchengemeinden zu kommentieren und vor den Augen nur viertelgefüllte Kirchenbänke und weiße Haare zu sehen, lässt sich die Hoffnung in den Händen der Großeltern finden. Die Kirche ist nicht überaltert, sondern die Gläubigen sind im besten Alter für einen Neuanfang. Im Buch Rut ist es Noomi, deren Aufbruch als Witwe, die Gräber ihrer eigenen Kinder hinter sich lassend, durch Rut den Stammbaum aufblühen lässt, der König David hervorbringt.

Durch die Generationen

Schon im Psalmengebet findet sich der Wunsch, dass das eigene Gotteslob auch in den folgenden Generationen erklingen und Gottes Heilsgeschichte sich fortsetzen möge:

Geschlecht um Geschlecht rühme deine Werke, deine machtvollen Taten sollen sie künden. Psalm 145,4

Dieser Wunsch klingt auch heute durch die leeren Kirchen. Nicht, weil die Kirche weiterbestehen soll, sondern weil das gefundene Gottvertrauen als Geschenk auch das Leben der kommenden Generationen bereichern kann. Es wäre viel gewonnen, wenn die kommenden Generationen auf ihre Großeltern blicken würden wie der Enkel Jesus Sirachs:

So widmete sich Jesus, mein Großvater, sorgfältig dem Lesen des Gesetzes wie der Propheten und der anderen, von den Vorfahren überkommenen Schriften. Jesus Sirach Prolog

Er lobpreist in seinem Vorwort zur Übersetzung des Weisheitsbuches seines Großvaters nicht nur alle Wunder, die Gott an seinem Volk vollbracht hat, sondern er ist stolz auf die Weisheit, die sein Großvater im Bibelstudium gefunden hat. Nun sollte jedoch nicht jeder Gläubige ein Buch schreiben – und auch nicht jedes geschriebene Buch wird gelesen:

Es nimmt kein Ende mit dem vielen Bücherschreiben und viel studieren ermüdet den Leib. Hast du alles gehört, so lautet der Schluss: Fürchte Gott und achte auf seine Gebote! Das allein hat jeder Mensch nötig. Kohelet 12,12-13

Erzählt!

Theologische Bücher, Pastoralpläne und selbst die Bibel sind nur tote Worte, wenn kein Herz mit ihnen gefüllt ist. Der Mund redet bekanntlich nur, wovon das Herz voll ist (Matthäus 12,34) – und bei denjenigen, die sonntags in die Kirche gehen, mangelt es nicht am Glauben. Doch gelebter Glaube ist nur in Taten und Worten verkündeter Glaube. Im Buch Deuteronomium fasst Mose den Willen Gottes, wie er ihn am Berg Sinai offenbart hat, für das Gottesvolk zusammen und betont, dass Glauben im Angesicht der Kinder gelebt wird:

Und diese Worte, auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herz geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Kindern wiederholen. Du sollst sie sprechen, wenn du zuhause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Deuteronomium 6,6

Wenn das Kind dann fragt, warum bestimmte Religionsgesetze eingehalten werden, dann soll als Antwort die Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk erzählt werden – und dies ist keine Gute-Nacht-Geschichte, sondern sie betrifft sowohl den Erzählenden als auch den Hörenden in seiner und ihrer Identität (Deuteronomium 6,20-24).

Großeltern des Glaubens

Oft wird von einer Glaubenskrise gesprochen. Nicht der Glaube, sondern seine Weitergabe steckt in der Krise. Selbst wenn man pessimistisch meint, die Generation der jungen Eltern sei für die Kirche verloren. Die Hoffnung – und nicht der Niedergang – liegt in den Händen derer, die den Glauben leben und von ihm erzählen. Vielleicht klingt es absurd, aber das Feuer des Glaubens brennt in der Generation der Großeltern und ihr Glaube wird ihnen als Gerechtigkeit angerechnet werden, wenn sie ihren Kindeskindern begeistert und begeisternd erzählen, warum sie an den Gott der Bibel und in die Kirche gehen – denn sie kennen die Gründe.


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Einzelnachweis   [ + ]

1. Drei wichtige Worte“, Bischof Ulrich Neymeyr, 17.02.2018 [Stand: 17. Februar 2018]; siehe auch „Kinder stärker in den Fokus rücken“, Domradio.de, 16.02.2018 [Stand: 17. Februar 2018].
2. Bitte! Danke! Entschuldigung!“, Bischof Ulrich Neymeyr, 17. 02.2018 [Stand: 17. Februar 2018]; siehe auch „Familien für Weitergabe des Glaubens unverzichtbar“, Eichsfelder Nachrichten, 16.02.2018 [Stand: 17. Februar 2018].
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9 Replies

  1. Zum Thema “Weitergabe des Glaubens” von Dr. T.M. Steiner ist am 20.01.18 ein m.E. deutlich realistischerer Artikel von Dr. M.Wörther in “Feinschwarz.net” erschienen: Dort geht es
    a) um das Wie: “Verkündigung als Verpackungs-problem?” (Titel)
    und
    b) endlich einmal deutlich um das Was: “Verkündigung hat ein Entpackungsproblem…” (Abschnitt weiter unten).

    • Hier zur Ergänzung noch der Artikel, auf den Sie verwiesen haben, als Link: http://www.feinschwarz.net/verkuendigung-als-verpackungsproblem/#more-10985 (M. Wörther, Verkündigung als Verpackungsproblem?, feinschwarz.net, 24. Januar 2018). Ein lesenswerter Text – hier ein Auszug aus dem Fazit: “Der Glaube ist derzeit nicht in der Lage, seine Relevanz in der Gegenwart der Menschen zu behaupten. Er besitzt keine Autorität, weil er weder eine überzeugende Gesamtvision des gegenwärtigen Lebens entwerfen kann, noch als konkrete Orientierung in unübersichtlichen Zeiten dient.” Im Falle von Kindern sind Glauben”sautoritäten” die direkten Vorbilder (Geschwister, Eltern ,Großeltern). Wo finden wir heute in der europäischen Gesellschaft nun Vorbilder, die den Glauben leben und der Glaube relevanz hat? In Klöstern, in Kirchengemeinden, in geistlichen Bewegungen etc. Es gibt viele Orte, an denen der Glaube sehr vital ist – aber in meinem Text geht es ja um die Frage, wie Kinder mit Glauben in Kontakt kommen – und da reicht eben nicht alleine ein Kommunionunterricht oder Religionsunterrricht. Kinder brauchen Glaubensvorbilder, die in ihrem täglichen Leben eine Rolle spielen. Solche Vorbilder können eben aus der Generation der Großeltern stammen – denn sie sind diejenigen, die heute noch die Kirchen füllen, täglich beten und für sie ist der Glauben ein wichtiger Bestandteil des Lebens. In dieser Generation gibt es viele Glaubensvorbilder; sie können ein wichtiger Ansatzpunkt zur religiösen Erziehung von Kindern sein. (Hier zu auch spannend: https://www.religionspaedagogikzh.ch/index.php?na=7,6,0,0,d)

  2. Glaubensweitergabe:
    Bei dem Trend der zunehmenden Kirchenferne getaufter Christen wird das Modell Großeltern-Mission nur beschränkt erfolgreich sein, wegen der erforderlichen Voraussetzungen, z.B. Groß-eltern in Reichweite mit der Fähigkeit überzeu-gende Antworten zu geben, falls sie denn gefragt werden.
    Umso wichtiger scheint es, dass die Kirche(n) ein Angebot bereithalten oder erst erarbeiten, anhand dessen sich nicht religiös sozialisierte Mitbürger informieren können, was ihnen eine Beschäfti-gung mit Gott, Glaube, Kirche überhaupt bringen würde. Darin wären die wichtigsten Glaubens-inhalte anzubieten, nach einer Art “Hierarchia Veritatum” gereiht, entsprechend ihrer Wichtig-keit für eine christliche Lebensorientierung.

  3. Meine Frau und ich leben unseren christlichen Glauben UND wissen darin auch sehr gut Bescheid – aber die Tochter, Schwiegersohn und 2 Enkelinnen leben rd. 100 km entfernt. Sie praktizieren wenig bis kaum, Schwiegersohn ist zudem konfessionslos. Sie fragen uns auch nicht nach dem Glauben und sind eher genervt, wenn wir von uns aus damit anfangen darüber zu reden. Die Schwiegereltern leben nebenan – sind konfessionslos.
    Nun sagen Sie mir/uns, wie wir da den Glauben an die Enkelinnen weitervermitteln sollen?
    Wenn sie bei uns waren, haben wir – vor allem meine Frau – mit ihnen gebetet und waren auch in der Kirche etc…
    Wir können nur noch für die Familie beten und tun das auch täglich – einen anderen Rat wissen wir nicht mehr.

    • Die Glaubensweitergabe ist leider keine freie Autobahn. Was Sie schreiben, ist ja nicht der Ausnahmefall, sondern es spiegelt die Situation in vielen Familien wieder. Es gibt kein Patentrezept, was Sie als Großeltern tun können, um den Glauben weiterzugeben. Ich glaube fest daran, dass es darum geht, wie sie vor Ihren Enkelinnen Ihren Glauben leben. Dass das Gebet zu Ihrem Leben gehört, ist schon ein beeindruckendes Zeugnis – Sie leben mit Gott im Gespräch und ziehen darauf Kraft für Ihren Alltag. Das ist ein großartiges Glaubenszeugnis. Für mich zum Beispiel war es prägend, dass meine Großmutter jeden Morgen an den Werktagen zur Frühandacht gegangen ist – als Kind und Jugendlicher bin ich niemals mitgegangen, wenn wir bei Ihr zu Besuch waren. Aber es hat mit beeindruckt. Ebenso klingt bis heute in meinem Ohr der Satz “Ich werde für Dich beten!” nach, mit dem sie jedes Telefongespräch beendet hat. Ihr Glaubensleben kann nur ein Zeugnis sein. Wie dieses Zeugnis aufgenommen wird, das liegt nicht in Ihrer Hand.

      • Ich habe meine gläubige Großmutter auch in sehr dankbarer und christlich-prägender Erinnerung: habe von ihr und mit ihr zusammen den Rosenkranz gebetet und als 6jähriger nahezu spielerisch erlernt. Aber das waren Ende der 50er Anfang der 60er Jahre noch ganz andere Zeiten als heute. Vor allem hatte ich katholische ELTERN, die den christlichen Glauben wirklich ERNST nahmen und ihn PRAKTIZIERTEN. Da wurde ich natürlich “streng” angehalten zum sonntäglichen Gottesdienstbesuch, zur regelmäßigen Beichte etc.
        Hab ich auch nicht alles gerade gerne gemacht – aber mich niemals etwa dagegen aufgelehnt – das wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Dabei lebten wir in einer absoluten katholischen Diaspora in Norddeutschland mit wenig praktizierendem christlichem Umfeld.
        Aber heute ist es gänzlich anders in der Familie: Die Tochter meiner Frau ist von ihr ähnlich konsequent christlich-katholisch erzogen worden – aber bereits seitens des nominell evangelischen leibl. Vaters gab es da Streit diesbezüglich. Die Tochter geht nur rund 5 mal im Jahr sonntags in die Kirche – nur an besonderen Hochfesten – ebenso die Kinder. Ist eine geradezu fanatische Reiterin und beeinflusst die ganze Familie in ihrem Sinne: Reiten und Turniere etc. sind doch viel cooler als Kirche am Sonntag und an Feiertagen.
        Da haben wir nichts zu melden – gibt nur Streit und Mißstimmung, wenn wir damit anfangen.
        Ich sehe dieses kleine Beispiel als ein Symptom des großen endzeitlichen(?) Glaubensabfalls zumindest hierzulande, wie er ja in der Bibel im NT vorausgesagt ist.
        Gegenüber beruhigenden Hinweisen auf andere Kontinente mit angeblich gegenläufiger Ebtwicklung des Christentums bin ich übrigens skeptisch.
        Bitte beruhigen Sie nicht die Menschen damit, die Großelterngeneration könne das seit Jahrzehnten in die falsche Richtung gestellte Ruder noch irgendwie herumreißen – “DIE” Großelterngeneration ist nämlich selbst äußerst Heterogen – Christen sind selbst da eine Minderheit.
        Meine sehr konsequent gläubige Schwiegermutter hat bei den 3 Neffen meiner Frau, deren beide ebenfalls bis heute gut christlich lebende Eltern alles zur Weitergabe des Christenglaubens versucht haben, ebenfalls schweren Schiffbruch erleben müssen: Der älteste Enkel trat aus der Kirche aus – beeinflusste auch seine kath. Frau entsprechend, der zweite heiratete eine Afrikanerin, die Zeugin Jehovas ist – deren Sohn ist bis dato ungetauft. Der 3. Enkel ist mit sogar einer kathol. Gemeindereferentin verheiratet – aber die gehen privat nur dann zur Kirche, wann es Ihnen passt, bzw. wenn sie beruflich verpflichtet sind.
        SO sind die Verhältnisse hierzulande – wir leben m.E. in der Endzeit und meine Frau und ich sehen bereits Frühzeichen des Erscheinen des Antichrist.

        • In den leeren Kirchen sehe ich kein Zeichen der Endzeit. Natürlich kann jeder von uns in seinem sozialen Umfeld eine Vielzahl von Beispielen aufzählen, wo der in der Familie gesäte Gaube nicht gesprossen ist – die Gründe dafür sind vielfältig. Aber die entscheidende Frage nun ist: Wo findet man noch Glaubensvorbilder? Natürlich gibt es charismatische Gemeinschaften und Bewegungen. Einzelne Klöster sind wahre Zentren der Spiritualität. Doch wo erlebt ein heute aufwachsendes Kind gelebten Glauben, wenn zum Beispiel die Eltern nicht (mehr) religiös sind.? Bei aller Frustration und Verzweiflung gerade von älteren Gläubigen in den Gemeinden, deren Kinder und Kindeskinder eben nicht zur Kirche gehen und vielleicht vom Glaubens ihrer Großeltern nichts wissen wollen – Glaubensweitergabe ist keine Katechismuseinführung und Glaube eben kein Objekt, das man einfach verschenken kann. Im Endeffekt wird Glaube gar nicht weitergegeben. Sondern Glaube wird gelebt. Es liegt nun einmal nicht in der Hand des Gläubigen, ob das eigene Kind oder die Enkel, diesem Glaubensvorbild folgen. Aber Glaubensvorbilder sind wichtig – und wenn wir uns die Kirchenstatistiken angucken, finden wir eben gelebten Glauben vor allem in der Großelterngeneration. Das kann man nun Zweckoptimismus nennen, aber gelebter Glaube ist nun mal die beste Art der Mission und nur dort wo Glaube gelebt wird, kann Glaube auch blühen.

          • Ja, das ist reiner Zweckoptimismus. Verschließen Sie nur weiterhin die Augen vor den Zeichen der Zeit – ich hoffe wie dereinst mein 1941 gestorbener Großvater, dass ich es selbst nicht mehr erleben muss, wenn es zur großen und furchtbaren Abrechnung kommen wird für den gottlosen Übermut der gegenwärtigen Gesellschaft.
            Denn dass es dazu kommt, wenn es nicht doch noch eine Bekehrung der Menschen gibt, ist für mich absolut sicher.

  4. Es ist mir nicht plausibel, warum die Glaubensweitergabe an die Enkel gelingen soll, wo sie doch bei den eigenen Kindern offenbar nicht gelungen ist. Die Gründe hierfür hat die Religionspädagogik doch schon gut reflektiert: nämlich, dass eine noch aus der Reformationszeit auf Katechismuswahrheit ausgerichtete religiöse Unterweisung in der heutigen Zeit an Ihre Grenzen kommt. Eine Antwort haben vor einiger Zeit die französischen Bischöfe im “Propose la foat” gegeben. Glauben vorleben und vorschlagen. Und nicht immer wieder jegliche Neuanfänge gleich wieder durch institutionelle Befindlichkeiten niederschlagen!