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Hammelsprung Eine biblische Anleitung für eine kirchliche Streitkultur


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Feinstes, reinstes C-Dur ist die Hölle. Ein Musikstück, dass ohne jede Dissonanz aus einem reinen C-Dur-Akkord besteht, ist schon nach wenigen Takten unerträglich. Das Fehlen jeder Spannung verursacht Qualen. Die Dissonanz hingegen bringt Lebendigkeit, Fortschritt von Melodie und Entwicklung des Gedankens. Es ist die Dissonanz, die die Musik erst zu sich selbst kommen lässt und sie von einem bloß tinnitushaften Sinuston unterscheidet.

Ein Lob der Dissonanz

Lebendigkeit entsteht aus Spannung, Dissonanz führt zur Harmonie, auch der Einheit geht der Konflikt voraus. Es gehört zur conditio humana, dass Einheit nicht gottgegeben ist. Der Mensch steht immer in der Spannung zwischen dem Drang nach Selbsterhaltung, die aber nur im sozialen Miteinander möglich ist. Die Spannung zwischen dem Wollen des „Ich“ und der Notwendigkeit, sich mit den Anderen immer wieder neu arrangieren zu müssen, muss permanent neu austariert werden. Es ist dieses Dilemma zwischen dem „Ich“ und den „Anderen“, das zu einem wesentlichen Teil zum Menschsein gehört. Das ständige Neukalibrieren dieser Spannung macht den Menschen in sich zu einem streitbaren Wesen. Leben ist Streiten. Ein Mensch, der zu streiten aufhört, ist dem Tode nah.

Das Leben selbst braucht also die Dissonanz. Die Wahrheit muss immer neu errungen werden. Gerade weil kein Mensch die ganze Wahrheit fassen kann, sondern aufgrund seiner raum-zeitlich geprägten Geschöpflichkeit diese immer nur aus einer bestimmten Perspektive betrachten kann, ist der konstruktive Streit notwendig. Das vorschnelle Aufgeben der eigenen Erkenntnis verbietet sich hier nämlich im Sinne der allgemeinen Annäherung und Findung der Wahrheit ebenso, wie das sture Beharren auf einem exklusiven Anspruch. Erst im Austausch der verschiedenen Perspektiven kann eine Annäherung an die Wahrheit stattfinden. Dieser wird notwendigerweise dissonant, bisweilen sogar streitbar erfolgen, weil manche Erkenntnisse auf den ersten Blick in sich widersprüchlich erscheinen. Der Streit an sich ist also nicht destruktiv oder zu vermeiden. Im Gegenteil: Die Fähigkeit zu konstruktivem Streit gehört nicht nur zur geschöpflichen Ausstattung des Menschen an sich; im Ausüben dieses existentiellen Potentials wird der Mensch erst zu dem, wozu er bestimmt ist: einem zu Erkenntnis befähigten Wesen, geschaffen Gut und Böse zu unterscheiden und so immer tiefer in die Wahrheit einzudringen. Nicht ohne Grund mahnt der Autor des Schreibens an die Hebräer seine Adressaten, sich endlich wie Erwachsenen zu benehmen:

Obwohl ihr der Zeit nach schon Lehrer sein müsstet, braucht ihr von Neuem einen, der euch in den Anfangsgründen der Worte Gottes unterweist; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben, nicht feste Speise. Denn jeder, der noch mit Milch genährt wird, ist unerfahren im richtigen Reden; er ist ja ein unmündiges Kind; feste Speise aber ist für Erwachsene, deren Sinne durch Gebrauch geübt sind, Gut und Böse zu unterscheiden. Hebräer 5,12-14

Seht, wie sie miteinander streiten

Es wundert daher nicht, dass Kirchengeschichte immer auch Streitgeschichte ist. Angefangen über den Konflikt um die Heidentaufe in der Urkirche über die christologischen Diskurse der frühen Kirche, den Osterfest- und Filioquestreit, den Investiturstreit im Mittelalter, den der Reformation vorausgehenden und auslösenden Streit um den Ablasshandel bis in die theologischen Streite der Gegenwart um den Status der wiederverheiratet Geschiedenen, bei dem schon eine Fußnote, die berühmte Fußnote 351, des nachsynodalen Schreibens „Amoris laetitia“ von Papst Franziskus1) genügt, damit vier Kardinäle, die unter den Vorgängerpäpsten für ihren bis an Fundamentalismus grenzende Papsttreue bekannt waren, ihre Zweifel in Form von „Dubia“ zum Anlass nehmen, in gut paulinischer Tradition nicht nur dem Nachfolger des Petrus ins Angesicht hinein zu widerstehen; wie sehr ihre Papsttreue davon abhängt, dass der Papst sagt und tut, was sie denken, zeigt auch eine von den Dubiisten Kardinal Burke und Kardinal Brandmüller und anderen veröffentlichte Erklärung, die allein schon in der Debatte um die Zulassung wiederverheiratet Geschiedener zu den Sakramenten eine Gefahr für die Einheit der Kirche sieht2). Selbst die einstigen Verfechter der päpstlichen Unfehlbarkeit löcken den Stachel des Streites und mahnen den Nachfolger des Petrus, er müsse sich bewusst sein, nicht

„‘Besitzer des Lehrstuhls der Wahrheit‘, sondern nur dessen Diener zu sein.“3)

Sollte man es nicht doch als Zeichen des Fortschritts anerkennen, wenn selbst ehemals systemkonforme Hirten zu Streithammeln werden und endlich den lebendigen Wert des Streitens erkennen?

Vom Schweigen der Lämmer zum Blöken der Schafe

Nur tote Lämmer sind schweigende Lämmer. Eine lebendige Herde ist laut. Selbst in friedlichen Zeiten hört man hier ein Blöken und dort ein Blöken. Bei Gefahr aber ist die Lebendigkeit der Herde unüberhörbar – da wird durcheinandergeblökt, was die Hammelkehlen hergeben. Wirft man auf dem Hintergrund dieses phänomenologischen Befundes einen Blick auf die gegenwärtige Kirche wenigstens in Westeuropa, dann muss man feststellen: diese Kirche lebt! Wenn selbst die, die sich als Hirten wähnen, streiten wie die Kesselflicker, dann ist die Kirche nicht verloren!

Jüngstes Beispiel der neuentdeckten ekklesialen, ja episkopalen Streitlust ist die Kontroverse um die Entscheidung der Deutschen Bischöfe, den nicht-katholischen Partnern in konfessionsverschiedenen Ehen unter bestimmten Umständen die Eucharistie zu reichen. Dazu soll eine pastorale Handreichung veröffentlicht werden, die selbst hochrangige Kirchenvertreter, wie Kardinal Kasper, im Detail noch gar nicht kennen4).

Auch wenn es sich mitnichten um eine Aufforderung zur grundsätzlichen Interkommunion handelt, sondern um einen pastoralen Sonderfall, genügt dieser eigentlich minimale Fortschritt, der eine vielerorts längst gängige pastorale Praxis aus dem Ruch des Verbotenen holt, um einen veritablen Konflikt auszulösen. Zumindest kolportieren das viele Medien so, wie etwa die Rheinische Post5) oder auch die das katholische Online-Magazin „Kirche+Leben“6) des gleichnamigen Wochenmagazins im Bistum Münster, die den von den Deutschen Bischöfen diskutierten Sonderfall konfessionsverschiedener Ehen ausblendend gleich von einem Streit über die Kommunion für Protestanten sprechen. Da es um einen solch grundlegenden Dissens gar nicht geht, sondern um die Klärung einer ganz speziellen Frage, die sich in konfessionsverschiedenen Ehen ergibt, ruft Kardinal Woelki, der von vielen Medien als Protagonist eines „Brandbriefes“ von sieben Bischöfen an den Vatikan gesehen wird, sicher nicht zu Unrecht zu mehr Gelassenheit auf7). Tatsächlich wäre in dieser Frage Gelassenheit gefordert, eben jene Gelassenheit und Weisheit eines Kardinal Kasper, die er in einem Interview für das Domradio vom 5. April 2018 darin erblickt, dass bereits Johannes Paul der II in zwei Enzykliken festgestellt habe, dass

„es unter bestimmten Voraussetzungen – vor allem unter der Voraussetzung, dass sie den Glauben teilen -, möglich [ist]. Er selbst hat es auch praktiziert, das weiß ich sehr genau; also nicht nur bei Roger Schutz, sondern auch sonst.“8)

Streiten mit offenem Visier

Nun ist der Beschluss der Deutschen Bischöfe offenkundig nicht im Konsens, wohl aber mit einer Mehrheit von zwei Dritteln erfolgt9). Niemand weiß gegenwärtig genau, wie die Absprachen in der Deutschen Bischofskonferenz tatsächlich waren. Die Mehrheit von Zwei Dritteln bedeutet freilich auch, dass in dieser Frage eben keine Einmütigkeit besteht. Es verwundert daher nicht, dass ein Streit um diese Frage reüssiert. Die Frage ist nur, in welcher Form ein solcher Streit ausgetragen wird. Ist der Brandbrief, den die Sieben aus den ordentlichen Bischöfen nun nach Rom geschickt haben, tatsächlich eine Kampfansage10)? Offenbart sich da ein Zerwürfnis zwischen den Kardinälen Woelki und Marx11)? Torpediert erster geradezu den Ökumene-Kurs des Letzteren12)?

Es ist, als wundere man sich tatsächlich, dass auch in der Kirche gestritten wird. Und gestritten wurde, wie schon gesagt, eigentlich immer schon. Neu ist in der Gegenwart wohl nur, dass der Streit mit dermaßen offenem Visier ausgetragen wird. Aber ist das nicht gerade das, was der Kirche eigentlich ins Stammbuch geschrieben ist, wenn der, auf den sich Christinnen und Christen aller Konfessionen berufen, im Verhör durch den Hohenpriester feststellt:

Ich habe offen vor aller Welt gesprochen. Ich habe immer in der Synagoge und im Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen. Nichts habe ich im Geheimen gesprochen. Johannes 18,20

Die παρρησία (gesprochen: parrhesía), die freimütige, offene Rede, gehört freilich nicht nur zum Wesen der Verkündigungstätigkeit Jesu; sie gehört auch zu den Fähigkeiten, über die die Verkünderinnen und Verkünder des vom Kreuzestod Auferstandenen und die so begründete Hoffnung der Glaubenden verfügen sollten:

Weil wir also eine solche Hoffnung haben, treten wir mit großem Freimut auf. 2 Korinther 3,12

Diese Forderung gilt selbst angesichts drohender Gefahren für die Verkünderinnen und Verkünder, so dass die Apostel Petrus und Johannes nach ihrer Freilassung aus der Haft vor der Gemeinde beten können:

Doch jetzt, Herr, sieh auf ihre Drohungen und gib deinen Knechten, mit allem Freimut (παρρησία) dein Wort zu verkünden! Apostelgeschichte 4,29

Der Urkonflikt

Die παρρησία, die freimütige Rede ist im Streit vonnöten, führt aber auch zum Streit. Es ist die Haltung, die einem konstruktiven, an der Wahrheitsfindung interessierten Streit, dem es nicht bloß ums Rechthaben geht, zugrunde liegt.

Nun ist gerade Petrus, der in der Apostelgeschichte noch für die παρρησία plädiert, was die Standfestigkeit seines gemachten Wortes angeht, recht wankelmütig. Genau aufgrund dieses Wankelmutes aber kann man einiges für die kirchliche Streitkultur lernen. Als Prototyp kirchlichen Streitens kann der urkirchliche Grundkonflikt gelten – der Streit um die Heidentaufe. Ursprünglich tauften die Apostel und die Jerusalemer Urgemeinde wohl nur Juden. In der Apostelgeschichte, vor allem aber in den Paulusbriefen schimmert durch, dass in Antiochien recht früh ein zweites frühchristliches Zentrum neben Jerusalem entsteht. Gerade in Antiochien bekommt die frühe Kirche aber eine besondere Ausprägung, entwickelt sich hier doch ein Bewusstsein der Glaubenden, das sogar zu einer eigenen Identitätsbezeichnung führt:

In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen. Apostelgeschichte 11,26

Dieses neue Selbstbewusstsein war sicher nicht zuletzt in einem besonderen Verständnis der Auferstehung des Gekreuzigten begründet. Gerade weil Jesus nach der Thora (vgl. Deuteronomium 21,23) als Gottverlassener stirbt und doch von Gott gerettet wird, deutet man das als Erfüllung des Gesetzes. Das Gesetz wird nicht aufgelöst. Vielmehr geht Gott jetzt selbst über das Gesetz hinaus, weshalb man in Antiochia das Evangelium der Freiheit vom Gesetz verkündete. Das ist die Voraussetzung für die Taufe von Heiden, die man nun eben nicht mehr verpflichtete, die Thora zu halten. Genau das aber war bleibender Markenkern der Jerusalemer Urgemeinde, die weiterhin am Gesetz festhielt und einmütig Tag für Tag im Tempel verharrte (vgl. Apostelgeschichte 2,46).

Petrus-Paulus
Petrus und Paulus Zwischen Streit und Umarmung - wer die Wahrheit sucht, muss den Konflikt aushalten.

Seht, wie sie miteinander streiten

Da der Kontakt mit Heiden nach der Thora kultisch unrein machte13), entstand für die frühe Kirche ein Problem: Konnte es eine Kirche aus Heiden und Juden geben? Mussten die Heiden nicht zuerst beschnitten werden, und Juden werden, bevor man sie taufte?

In dem Konflikt ging es um mehr als um eine formale Petitesse. Es ging um das Grundverständnis des Evangeliums und damit letztlich um die Frage, ob der vom Kreuzestod auferstandene Jesus Christus nur ein jüdischer Messias ist oder der Messias, mit dem die Endzeit beginnt, in der die Völker zum Zion kommen. Das ist mehr als eine Richtungsentscheidung. Es ist eine Entscheidung, in der es um das Selbstverständnis der frühen Kirche geht.

Auch in diesem frühkirchlichen Streit gibt es Regeln des Streitens. Für Paulus etwa steht bei allem apostolischen Selbstbewusstsein die besondere Autorität des Zwölferkreises außer Zweifel. Deshalb schreibt er an die Galater:

Vierzehn Jahre14) später ging ich wieder nach Jerusalem hinauf, zusammen mit Barnabas; ich nahm auch Titus mit. Ich ging hinauf aufgrund einer Offenbarung, legte der Gemeinde und im Besonderen den Angesehenen das Evangelium vor, das ich unter den Völkern verkünde; ich wollte sicher sein, dass ich nicht ins Leere laufe oder gelaufen bin. Galater 2,1-2

Anlass der Reise ist das sogenannte Apostelkonzil, das in Apostelgeschichte 15,1-29 und in der autobiographische Retrospektive des Paulus in Galater 1,1-10 beschrieben wird. Dort wurde die Streitfrage der Heidentaufe verhandelt und es wird ein Beschluss gefasst. In der Diktion des Paulus wird seine Heidenmission anerkannt, während Petrus und die Jerusalemer Urgemeinde das Evangelium weiterhin unter den Juden verkündet. Während Paulus in Galater 2,6 darauf hinweist, dass ihm keine Auflagen gemacht worden waren, weiß Lukas in der Apostelgeschichte allerdings von der sogenannten Jakobusklausel zu berichten:

Darum halte ich es für richtig, den Heiden, die sich zu Gott bekehren, keine Lasten aufzubürden; man weise sie nur an, Verunreinigung durch Götzenopferfleisch und Unzucht zu meiden und weder Ersticktes noch Blut zu essen. Denn Mose hat seit alten Zeiten in jeder Stadt seine Verkünder, da er in den Synagogen an jedem Sabbat verlesen wird. Apostelgeschichte 15,19-21

Nach dem Streit ist vor dem Streit

So oder so: Das Apostelkonzil hat eine einvernehmliche Lösung gefunden und die antiochenische Heidenmission, die essentiell für die paulinische Verkündigungstätigkeit war, anerkannt. Mehr noch: Paulus weiß von einem Zeichen der Einheit der Kirche aus Heiden und Juden zu berichten:

Nur sollten wir an die Armen denken; und das zu tun, habe ich mich eifrig bemüht. Galater 2,10

Dahinter verbirgt sich wohl die Kollekte für die Jerusalemer Urgemeinde, auf die Paulus in seinen Briefen verschiedentlich zu sprechen kommt (etwas in 2 Korinther 8-9).

Man könnte also denken, dass der Konflikt war und Frieden und Einheit in die frühe Kirche einkehrt. Dass dem nicht so gewesen ist, zeigt aber nicht nur die Befürchtung des Paulus, das die heidnische Sammlung in Jerusalem nicht angenommen werden könnte, so dass er die Adressaten des Römerbriefes zu solidarischem Gebet auffordert:

Kämpft mit mir in den Gebeten für mich vor Gott, dass ich vor den Ungehorsamen in Judäa gerettet werde, dass mein Dienst an Jerusalem von den Heiligen dankbar aufgenommen wird. Römer 15,30-31

Dass der Urkonflikt nicht wirklich bewältigt ist, zeigt auch der antiochenische Streit des Paulus mit Petrus, weil dieser trotz der Jerusalemer Vereinbarung die Mahlgemeinschaft mit den Heiden verweigert:

Als Kephas aber nach Antiochia gekommen war, habe ich ihm ins Angesicht widerstanden, weil er sich ins Unrecht gesetzt hatte. Galater 2,11

Streiten lernen

Aus der Geschichte des kirchlichen Urkonfliktes können für die Gegenwart wichtige Schlüsse gezogen werden:

1. Streiten gehört zum Wesen der Kirche. Der Konflikt um die Heidentaufe zeigt, dass der Streit in den genetischen Code der Kirche eingeschrieben ist. Der freimütige Streit dient der Wahrheitsfindung

2. Selbst im Streit darf das Streben nach Einheit nicht aufgegeben werden. Deshalb sucht Paulus die Autorität der Zwölf anerkennend den konstruktiven Dialog, während die Zwölf dem Neuen offenkundig prinzipiell aufgeschlossen begegnen.

3. Selbst ein Konsens braucht Zeit, um sich durchzusetzen. Die Reaktion des Petrus in Antiochien zeigt, dass selbst Apostel den Widerstand brauchen, um theologische Erkenntnis verwirklichen zu können. Nach dem Streit ist vor dem Streit.

4. Der Streit braucht Offenheit und Struktur. Es gibt Regeln der Kommunikation. Es muss miteinander, nicht übereinander geredet werden. Zur Not muss man sich halt ins Angesicht hinein widerstehen, um den Streit wieder kommunikativ zu gestalten.

Betrachtet man angesichts dieser aus der biblischen Analyse herausdestillierten Regeln den gegenwärtigen Konflikt um die Frage, ob den nicht-katholischen Partner in konfessionsverschiedenen Ehen die Eucharistie gereicht werden kann, so stellt sich lediglich, aber auch vor allem die Frage, ob der Brief der sieben Bischöfe wirklich hinter dem Rücken der anderen geschrieben wurde. Das ist bisher nicht wirklich klar. Die angekündigte pastorale Handreichung ist noch nicht veröffentlicht. Würde man das Urteil eines Drittels der deutschen Bischöfe einfach ignorieren, wäre ein schwelender Streit vorprogrammiert. Wäre es da nicht wirklich besser, um nicht ins Leere zu Laufen oder in die Irre zu gehen, die unzweifelbare und einheitsstiftende Autorität des Nachfolgers des Petrus anzufragen? Das gilt um der Einheit willen sowohl für die Mehrheit wie für die Minderheit. Tatsächlich aber hat Papst Franziskus ja schon einen Hinweis gegeben, wie er in dieser Frage denkt. Bei einer sonntäglichen Abendandacht in der evangelisch-lutherischen Christuskirche in Rom ermunterte er die Eheleute konfessionsverschiedener Ehen zu einer Gewissensprüfung und dann gegebenenfalls auch zur Teilnahme an der Kommunion:

„In Beantwortung einer Frage sagte der Papst, es sei nicht seine Kompetenz, gemischten Ehen die gemeinsame Kommunion zu erlauben. Die Betreffenden sollten selber im Gebet zu einer gemeinsamen Haltung dazu finden, wie für sie das Abendmahl eine Stärkung auf dem gemeinsamen Glaubensweg sein könne. ‚Sprecht mit dem Herrn und geht weiter.‘“15)

Eigentlich ist damit schon alles gesagt. Wenn aus einer Predigt jetzt noch eine offizielle Auskunft wird – umso besser. Die Erkenntnis der Wahrheit brauchte immer schon ihre Zeit, bis sie aus den Köpfen auch in die Herzen gelangte. Dafür darf gestritten werden; dafür muss gestritten werden. Ach fänden sich in der Herde des Herrn doch noch viel mehr Streithammel – eine streitende Kirche ist für die Welt allemal wichtiger und interessanter als eine Herde schweigender Lämmer. Deshalb: Streitet! Freimütig! Die Wahrheit hat es verdient!

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Titelbild: goats (Peter Dargatz) – Quelle: Pixabay – lizenziert als CC0.

Bild 1: Petrus umarmt Paulus (Peter Schäfer) – Ökumenisches Heiligenlexikon – Lizenz: Gemeinfrei

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. hierzu https://w2.vatican.va/content/francesco/de/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20160319_amoris-laetitia.html [Stand: 8. April 2018].
2. Vgl. hierzu http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/tagung-in-rom-sorge-uber-den-kurs-der-kirche [Stand: 8. April 2018].
3. Zitiert nach: http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/tagung-in-rom-sorge-uber-den-kurs-der-kirche [Stand: 8. April 2018].
4. Siehe hierzu https://www.domradio.de/themen/glaube/2018-04-05/kardinal-kasper-sieht-handreichung-positiv [Stand: 8. April 2018].
5. Siehe hierzu http://www.rp-online.de/panorama/deutschland/brandbrief-an-den-vatikan-bischofskonferenz-streitet-ueber-kommunion-fuer-evangelische-christen-aid-1.7493666 [Stand: 8. April 2018].
6. Siehe https://www.kirche-und-leben.de/artikel/bischoefe-streiten-offen-ueber-kommunion-fuer-protestanten/ [Stand: 8. April 2018].
7. Siehe hierzu: http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/kommunion-fur-protestanten-woelki-erstaunt-uber-rummel [Stand: 8. April 2018].
8. https://www.domradio.de/themen/glaube/2018-04-05/kardinal-kasper-sieht-handreichung-positiv [Stand: 8. April 2018].
9. So Joachim Frank in seinem Beitrag „Zerwürfnis über Kommunion“, in: KStA online, 4.4.2018, Quelle: https://www.ksta.de/politik/zerwuerfnis-ueber-kommunion-woelki-und-weitere-bischoefe-schicken-brandbrief-an-vatikan-29964580 [Stand: 8. April 2018].
10. So der Kölner Stadtanzeiger am 4. April 2018: https://www.ksta.de/politik/streit-ueber-kommunion-kampfansage-aus-dem-erzbistum-koeln-29967528 [Stand: 8. April 2018].
11. So Joachim Frank, „Zerwürfnis über Kommunion“, in: KStA online, 4.4.2018, Quelle: https://www.ksta.de/politik/zerwuerfnis-ueber-kommunion-woelki-und-weitere-bischoefe-schicken-brandbrief-an-vatikan-29964580 [Stand: 8. April 2018].
12. So schon im September 2017 Matthias Dobrinski, Woelki will verhindern, dass sich die Konfessionen zu sehr annähern, in: SZ-online, 25.9.2018, Quelle: http://www.sueddeutsche.de/panorama/kirche-woelki-will-verhindern-dass-sich-die-konfessionen-zu-sehr-annaehern-1.3681003 [Stand: 8. April 2018].
13. Deshalb bleiben etwa Kajaphas und seine Anhänger bei dem Pilatusprozess Jesu vor dem Prätorium (vgl. Johannes 18,28).
14. Die Zeitangabe bezieht sich auf seine Verkündigungstätigkeit unter den Heiden nach einer ersten Begegnung mit Kephas (das ist Petrus) und Jakobus – vgl. Apostelgeschichte 1,18-24.
15. Jörg Bremer, Papst ermuntert Christen zur gemeinsamen Kommunion, in: FAZ online, 15.11.2015, Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/papst-franziskus-treibt-die-oekumene-voran-13914682.html [Stand: 8. April 2018].
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