Grundlagen Die Bibel als Norm aller Normen

Was ist die Bibel?

Für manche ist die Bibel das Wort Gottes an den Menschen, für andere ein Relikt einer vergangenen Zeit – ein Klassiker der Literaturgeschichte, der im Bücherregal verstaubt. Sie sei heilig, gewaltverherrlichend, inspirierend, patriarchialistisch, moralisch, verwerflich … .

Für Christen ist die Bibel die Richtschnur, an der sich entscheidet, was christlich ist. Gemäß der katholischen Kirche ist die Bibel “norma normans” – was auf Latein soviel bedeutet wie: Die Norm aller Normen.

Nüchtern betrachtet handelt sich bei der Bibel um eine Ansammlung verschiedenster Schriften aus verschiedenen Zeiten von verschiedenen Autoren. Bereits das deutsche Wort „Bibel“ zeigt an, dass es sich nicht nicht nur um ein Buch handelt, sondern um eine ganze Bibliothek. Der Begriff „Bibel“ leitet sich vom griechischen Ausdruck βιβλία (gesprochen biblía) ab. Grammatikalisch handelt es sich um eine Pluralform, die sich folgendermaßen übersetzen lässt: „Bücher, Schriften, Briefe, Dokumente“. In der Bibel lassen sich die verschiedensten Stimmen in Form von Erzählungen, Sprichwörtern, Poesie, Briefen, Visionen und vielem mehr finden. Aufgeteilt in das Alte und das Neue Testament finden sich in der katholischen Bibel insgesamt 73 Bücher.

Wieso besteht die Bibel aus einem Alten und einem Neuen Testament?

Die Bibel besteht aus der Heiligen Schrift des Judentums (= dem Alten Testament), und dem von den ersten Christen verfassten Neuen Testament. Wenn die Schriften des Neuen Testaments von den „Heiligen Schriften” oder einfach von der „Schrift“ sprechen und sich darauf berufen, beziehen sie sich auf das heute sogenannte Alte Testament, das in einer anderen Bücherreihenfolge und einem im Vergleich zum Alten Testament der Katholischen Kirche geringeren Umfang, bis heute die Heilige Schrift des Judentums ist (vgl. Römer 1,1-2).
Wie Jesus Christus als Mensch ein Nachkomme Abrahams und Davids Jude war (Matthäus 1,1) und bis zu seinem Tod am Kreuz unter dem Schild mit der Aufschrift „Das ist der König der Juden“ (z.B. Markus 15,26) Jude blieb, so steht das Neue Testament als Wiederspiegel des christlichen Heilsereignisses auf dem Fundament der jüdischen Bibel, die die ersten Christen als ihre Heilige Schrift aus dem Judentum übernommen haben. So ist das Judentum, wie Johannes Paul II. es ausgedrückt hat, dem Christentum sein „bevorzugte[r] Bruder im Glauben“, da man in der jüdischen Bibel bzw. im Alten Testament eine gemeinsame Heilige Schrift teilt, die dem Neuen Testament, dem zweiten Teil der Heiligen Schrift der Christenheit Fundament und Autorität verleiht: „Ohne das Alte Testament wäre das Neue Testament wie eine Pflanze ohne Wurzeln, die zum Austrocknen verurteilt ist.“

Link zur Verlautbarung des Apostolischen Stuhls „Das jüdische Volk und seine Heilige Schrift in der christlichen Bibel“

Wer hat die Bibel geschrieben?

Alle Schriften der Bibel, im Alten und im Neuen Testament, sind von Menschen geschrieben worden. Einzelne Autoren treten hinter ihren Schriften selbst hervor (vgl. zum Beispiel Paulus und seine Briefe). Besonders deutlich wird dies in den einleitenden Worten des Evangeliums nach Lukas:

Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. Nun habe auch ich mich entschlossen, allem von Grund auf sorgfältig nachzugehen, um es für dich, hochverehrter Theophilus, der Reihe nach aufzuschreiben. So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest. Lukas 1,1-4

Zum Großteil jedoch – vor allem im Alten Testament – sind die Schriften der Bibel keine Autoren-Literatur im modernen Sinn. Ein Großteil der Bücher nennt seine Autoren nicht. Es handelt sich um Traditionsliteratur. Solche Bücher sind das Ergebnis eines Überlieferungsprozesses, der wesentlich durch Fortschreibungen des Textes bestimmt war. Zum Beispiel die Prophetenbücher sind im Kern ihrer Aussage auf einen bestimmten Propheten zurückzuführen. Das jeweilige Prophetenbuch in seiner jetzigen Form jedoch entstand durch die Zeit hindurch unter Auslegung und Aktualisierung dieser Botschaft durch verschiedenster Autoren im Angesicht der Erfahrung Gottes. Die biblischen Schriften sind das menschliche In-Worte-fassen der Geschichte Gottes und der Erfahrung Gottes in der Welt:

Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; so wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein. 2 Timotheus 3,16-17

Nach katholischem Verständnis ist die Bibel sowohl Menschenwort als auch Gotteswort, genauer gesagt „Gotteswort im Menschenwort.“ Der Begriff der Inspiration, das Verständnis der biblischen Schriften als „eingegebene Schriften“ beschreibt dieses Ineinander von Gotteswort und Menschenwort:

Zur Abfassung der Heiligen Bücher hat Gott Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er – in ihnen und durch sie wirksam – geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern. Dei Verbum 111)

Gott ist nicht der Autor, sondern der Auctor der Bibel. Gott hat die Bibel nicht selbst geschrieben, sondern er wird als Urheber (= Auctor) und somit als Ursprung und durch den Heiligen Geist Mitwirkender der Abfassung geglaubt. Wie die Schriftinspiration und das Verhältnis von menschlichem Autor ( = echter Verfasser) und göttlichem Auctor im Detail zu verstehen ist, legt die katholische Lehre nicht fest und lässt verschiedenen Interpretationen zu.

Was heißt es, die Bibel in Übersetzung zu lesen?

Der Großteil des Alten Testaments ist in hebräischer – kleinere Teile in aramäischer – Sprache verfasst. Die Schriften des Neuen Testaments sind in Griechisch geschrieben worden. In der Kirche und im Alltag wird die Bibel jedoch meistens in der jeweiligen Landessprache der Gemeinde beziehungsweise des Lesers verwendet, zum Beispiel in der Form der Einheitsübersetzung, der Luther-Übersetzung oder der Zürcher Bibel.

Eine Übersetzung ist immer in gewisser Weise eine Interpretation, da sich in einer Sprache nicht das exakt Gleiche wie in einer anderen Sprache ausdrücken lässt. Dieses Problems ist sich bereits das Alte Testament bewusst: Der Enkel von Jesus Sirach hat das Buch seines Großvaters aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt und im Angesicht der Übersetzungsproblem eine kurze Einleitung geschrieben:

Doch mögt ihr Nachsicht üben, wenn wir vielleicht einige der schwer zu übersetzenden Ausdrücke unbefriedigend wiedergegeben haben. Es ist ja nicht gleich, ob man etwas in der hebräischen Grundsprache liest oder ob es in eine andere Sprache übertragen wird.

Selbst, wenn man Hebräisch, Aramäisch, Griechisch Wort für Wort lernt, ist alleine durch die Zeit, die zwischen der Abfassung der Schriften und der Gegenwart liegt, immer eine Übersetzung in die Gegenwart des Lesers notwendig, da er oder sie in einer ganz anderen Sprachwelt lebt als die Verfasser der biblischen Schriften. So wurde bereits ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. begonnen die Schriften der jüdischen Bibel, die zum heutigen christlichen Alten Testament wurden, in die griechische Sprache zu übersetzen. Diese Übersetzung nennt man Septuaginta und sie war die Grundlage für die Verfasser des Neuen Testaments. Später, im 4. Jahrhundert n. Chr., übersetzte der hl. Hieronymus die gesamte Bibel in die lateinische Sprache. Diese Übersetzung wird Vulgata genannt und wurde die gebräuchliche Bibel für die katholische Kirche. Immer wieder wurde die Bibel, ausgehend von den Sprachen Hebräisch, Aramäisch und Griechisch in die Alltagssprachen der Menschen übersetzt. So gibt es heute alleine in Deutschland über 35 weitverbreitete deutschsprachige Bibelübersetzungen.

Im Angesicht dieses Befundes ist ein Ratschlag des hl. Augustinus hilfreich, den er in De Doctrina Christiana 14 gegeben hat:

Bezüglich der Worte [einer Übersetzung] ist ein zweifacher Irrtum möglich: Der Leser kommt in Verlegenheit, weil er entweder das Wort selbst nicht kennt, oder weil ihm das Satzgefüge unbekannt ist. Stammen diese Wörter aus einer fremden Sprache, so soll man Menschen fragen, die diese Sprache sprechen, oder man lernt, falls es Zeit und Talent zulassen, einfach die betreffende Sprache selbst, oder man muss die Angaben mehrerer Übersetzer zurate ziehen.

Neben der offiziellen katholischen Übersetzung der Bibel, der Einheitsübersetzung finden sich auf dem Buchmarkt verschiedenste Übersetzungen verschiedenster Konfessionen und Wissenschaftler, die dem Leser helfen sollen, die ursprüngliche Intention des Textes zu erschließen und ihm bei der Übersetzung in sein eigenes Leben zu helfen

Link zur Seite www.bibleserver.com, auf der verschiedene Bibelübersetzungen angeboten werden.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Das Dokument „Dei Verbum“ ist die vierte Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es handelt sich um die Festschreibung der systematisch-theologischen, kirchlichen Lehre , was göttliche Offenbarung ist.