Ecclesiastica

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Gerade in der Zeit, in der die Kirche sich ihres Anfangs aus dem Osterglauben vergewissert, vergisst sie ihre Wurzel. Das ganze Jahr hindurch erklingen die Psalmen als stetiges Gebet – zumindest in der Theorie. Doch die Tora, die Propheten und die restlichen Schriften verstummen im Osterjubel. Gerade noch wurde alles in der Osternacht in sieben Lesungen im Alten Testament verankert. Und nun schweigt die Heilige Schrift Paulus‘. Seinen Brief an die Römer beginnt er mit den Worten:

Paulus, Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert, das Evangelium Gottes zu verkünden, das er durch seine Propheten im Voraus verheißen hat in heiligen Schriften. Römer 1,1-2

Das Alte Testament, die heiligen Schriften der ersten Christen, aus denen heraus sie versuchten zu erklären, was durch Jesus Christus in dieser Welt geschehen ist, wird in der Osterzeit beiseitegelegt. „Die heiligen Schriften, die dich weise machen können zum Heil durch den Glauben an Christus Jesus,“ wie es in 2 Timotheus 3,15 heißt, müssen für die Lesungen aus der Apostelgeschichte weichen. Wäre es eine Zumutung, in der Osterzeit sonntags drei Lesungen, dreimal das „Wort des lebendigen Gottes“, zu verkünden?

Schon am Ostertag heißt es in der ersten Lesung:

Von ihm [Jesus] bezeugen alle Propheten, dass jeder, der an ihn glaubt, durch seinen Namen die Vergebung der Sünden empfängt. Apostelgeschichte 10,44

Deshalb lässt die Kirche nun die alttestamentlichen Propheten in ihren Messen verstummen? Ja, heute – erst recht nach der Shoa – lesen wir das Alte Testament auch mit anderen Augen als noch die ersten Christen. Das Alte Testament hat in der Geschichte einen doppelten Ausgang: sowohl ins heutige Judentum als auch ins Christentum. Die Menschwerdung Gottes, das Sterben Jesu am Kreuz und seine Auferstehung sind kein logischer Schluss aus den prophetischen Worten an Israel. Aber ihr göttlicher Ursprung gehört doch auch in der Osterzeit zum Glaubensfundament. Hätten die Apostel nach der Auferstehung Jesu das Alte Testament einfach so beiseitegelegt und nicht wie Jesus mit den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus in die Hand genommen, die Kirche wäre nichts anderes als eine Blume ohne Wurzeln, die heute schon längst ausgetrocknet wäre.

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Bildnachweis

Titelbild: Buch, fotografiert von Pezibear – Lizenz: gemeinfrei.
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