Kapitel
Aktuelles

Das Wertvollste, was es gibt: Kinder Zur biblischen und gesellschaftlichen Relevanz von Kindern

Auf der einen Seite stehen die Erzieherinnen und Erzieher, die mehr Gehalt wollen – auf der anderen Seite stehen die Kommunen, die generell knapp bei Kasse sind und die Forderungen generell für unbezahlbar halten.1) Aber im Endeffekt geht es um eine viel grundsätzlichere Frage: „Wie viel Geld ist uns die Erziehung von Kindern wert?“2) Bereits 2012 forderte der Aktionsrat Bildung in einem Gutachten, dass die Aus- und Fortbildung in der Frühpädagogik systematisch zu verbessern sei.3) Das Gutachten betont dabei die Wichtigkeit von Kindertagesstätten für die Gesellschaft: Es geht um die Vorbereitung auf das schulische Lernen und um eine breite Persönlichkeitsbildung.4) Zudem liegt eine besondere Herausforderung darin „Defizite bei Kindern aus benachteiligten Familien [zu] reduzieren und so zu mehr sozialer Gerechtigkeit und einer Reduzierung von sozial bedingten Ungleichheiten noch vor Schulbeginn bei[zu]tragen“5). Zita van Dijk hat die Perspektive der Erzieherinnen und Erzieher sehr deutlich auf den Punkt gebracht: „Wir sind keine Spieltanten, sondern wir kümmern uns um das Wertvollste, was es gibt: Kinder!“6)

Kinder als Eigentum Gottes und als Zukunft

Der Wert von Kindern für eine Gesellschaft wird nicht erst deutlich, wenn man mit sorgenvollem Gesicht die Demografie in Deutschland betrachtet. Bereits die Bibel weiß, wie wichtig Kinder für eine Gesellschaft sind:

Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk. Psalm 127,3

In der hier wiedergegeben Einheitsübersetzung ist die Übertragung des hebräischen Textes ins Deutsche auf den ersten Blick fast schöner als der Originaltext. Im ersten Versteil heißt es eigentlich wörtlich übersetzt: „Siehe, Söhne sind das Erbe des Herrn“. Im patriarchalischen Entstehungskontext galten Söhne als Garanten der Familienzukunft.7) Sie werden in Psalm 127,4 metaphorisch als „Pfeile in der Hand eines Kriegers“ beschrieben, die die Familie beschützen (Psalm 127,5). Der Text beschreibt Söhne, die in jungen Jahren gezeugt werden, als wichtige Stütze der Familie im Alter der Eltern.

In der Aussage des Psalms werden sie als „Erbe des Herrn“ beschrieben. In der deutschen Sprache denkt man beim Wort „Erbe“ oft zuerst direkt an den Tod einer Person. Nur eine tote Person kann etwas vererben – dieser Gedankengang ist in Bezug auf die Aussage in Psalm 127,3 aber irreführend. Da Gott nicht tot ist, kann er auch nichts vererben. Vielmehr wird ausgesagt, dass die Söhne zum Erbe, das heißt zum Besitz Gottes gehören. Der mit „Erbe“ übersetzte hebräische Begriff נחלה (gesprochen: nachalah) bezeichnet eigentlich ein „dauerhaftes Gut, das ein unbestreitbares Eigentum ist“8). Dies wird deutlich, wenn man erkennt das „Erbe des Herrn“ als Titel eine Auszeichnung darstellt, die im Alten Testament eigentlich nur dem Volk Israel und dem verheißenen Land zukommt (zum Beispiel in Deuteronomium 4,20-21). Israel hat das verheißene Land als Lehen von Gott erhalten und ist zugleich selbst Eigentum Gottes – so verstanden wird der Begriff „Erbe des Herrn“ zum Ausdruck für den beständigen und dauerhaften Charakter der Beziehung Gottes zu seinem Volk. Diese Beziehung Gottes zu seinem Volk drückt sich in Psalm 127,3 durch die Gabe von Söhnen aus. Der Psalm verdeutlicht damit, dass Kinder ein Gottesgeschenk als Ausdruck der Beziehung zu Gott sind und dass sie für die Zukunft der Familie eine wichtige Stütze darstellen.

Kinder als Träger der Gesellschaft

Kinder sind teuer, aber sie sind auch wertvoll. Sie sind nichts Geringeres als das Kontinuitätsprinzip der Gesellschaft. Das Erreichte innerhalb einer Gesellschaft bewährt sich an der Weitergabe an die nächste Generation. Die Werte für die eine Gesellschaft eintritt, leben nur fort, wenn sie von den Kindern angenommen und übernommen werden. Nicht von ungefähr erklingt in der Torah immer wieder die Aufforderung an die Eltern, den Kindern von den Taten Gottes zu erzählen und somit den Kindern die eigene Identität zu vermitteln. Die Ursprungsgeschichte des Volkes Israels, die die Identität Israels als Volk Gottes bestimmt, ist die Herausführung aus Ägypten ( = der Exodus). Schon während das Buch Exodus diese Geschichte erzählt, erklingt mitten in der Erzählung die Aufforderung, dass nachdem Israel im verheißenen Land siedeln wird, es zur Erinnerung an die Errettung jedes Jahr ein Fest feiern soll:

Sieben Tage sollst du ungesäuerte Brote essen, am siebten Tag ist ein Fest zur Ehre des Herrn. Exodus 13,6

Grundlegender Bestandteil dieses Fest wird die Erzählung der Heilstaten Gottes sein, da sich in der Errettung aus Ägypten die Identität Israels als Volk Gottes manifestiert hat:

An diesem Tag erzähl deinem Sohn: Das geschieht für das, was der Herr an mir getan hat, als ich aus Ägypten auszog. Exodus 13,8

Wer Israel ist, wird durch Erzählungen von Generation zu Generation tradiert und die Bewahrer dieser erzählten Identität sind jeweils die Kinder (siehe auch Deuteronomium 4,9). Zudem sind sie auch die Bewahrer der Normen und Rechte, die eine Gesellschaft formt und trägt. Rechte und Gesetze haben nur Bestand, wenn die folgende Generation ihren Wert erkennt.

Diese Worte [gemeint sind die Gesetze], auf die ich dich heute verpflichte, sollen auf deinem Herzen geschrieben stehen. Du sollst sie deinen Söhnen wiederholen. Du sollst von ihnen reden, wenn du zu Hause sitzt und wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst und wenn du aufstehst. Deuteronomium 6,6-7

Der Mensch soll die Gesetze Gottes zu seinem eigenen Herzensanliegen machen und sie sollen sein ganzes Tun, sein Reden, sein Sitzen, sein Gehen, sein Tagesende und seinen Tagesanfang bestimmen. Aber der Aufforderung der Annahme des Gesetzes folgt nicht direkt die Betonung der praktischen Auswirkung im eigenen Leben. Zuerst wird auf die Notwendigkeit der Weitergabe des Gesetzes an die Kinder verwiesen, die dann im Handeln ihrer Eltern die Bedeutung des Gesetzes wiedergespiegelt sehen. Kinder sind Garant für den Fortbestand der guten und gerechten Normen und Rechte.

Die Relevanz von Kindern

Ohne Zweifel sind Kinder das Wertvollste, was eine Gesellschaft besitzt. Sie sind – biblisch gesprochen – nicht nur ein Geschenk Gottes, sondern sie sind für die Familien, in denen sie aufwachsen und für die Gesellschaft, die sie prägt sozusagen das Fundament für die Zukunft (siehe Sprichwörter 22,6).

Empfehlen Sie diesen Artikel weiter
  • Share this on WhatsApp
  • Share this on Linkedin

Einzelnachweis   [ + ]

1. Vgl. zum Beispiel die Aussagen in der Diskussionrunde der Sendung Kontrovers, “Wie viel ist uns die Erziehung unserer Kinder wert?”, Deutschlandfunk, 18.05.2015 (Stand: 24. Mai 2015).
2. Vgl. den Zeitungsartikel “Wie viel Geld ist uns die Erziehung von Kindern wert?”, Welt, 04.05.2015 (Stand: 24. Mai 2015).
3. Vgl. Hans-Peter Blossfeld u.a., Professionalisierung in der Frühpädagogik, Münster 2012 (Stand: 24. Mai 2015).
4. „Die frühpädagogischen Einrichtungen sollen alle Kinder optimal fördern und auf ihre zukünftige Schulkarriere vorbereiten. Der Bildungsauftrag beschränkt sich dabei nicht auf eng umrissene kognitive Kompetenzen, sondern ist eingebettet in eine breitere Persönlichkeitsbildung der Kinder.“ (Hans-Peter Blossfeld u.a., Professionalisierung in der Frühpädagogik, Münster 2012, S. 21 [Stand: 24. Mai 2015]).
5. Hans-Peter Blossfeld u.a., Professionalisierung in der Frühpädagogik, Münster 2012, S. 21 (Stand: 24. Mai 2015).
6. So lautete ihr Eingangsstatement zur Diskussionsrunde „Kitastreik als Härtetest“ in der Sendung „Hart aber fair“ am 19.05.2015 (Stand: 24. Mai 2015).
7. In der alttestamentlichen Vorstellung gehören Söhne zu einem gottgesegneten und erfüllten Leben (siehe zum Beispiel Genesis 18,1-19). Aus der Perspektive des modernen Lesers lässt sich die Aussage auch auf Töchter ausweiten.
8. Till Magnus Steiner, Vom Garten Eden in das Land von Milch und Honig. Das verheißene Land – ein Gang durch die Tora, Berlin 2009, S. 42.
Weitere Beiträge:

1 Reply