Kapitel
Ecclesiastica·Judaica

Christliches Chanukka Neuanfang, Tradition und der Hammer

In diesen Tagen feiert das Judentum Chanukka – ein Fest, das nicht in der hebräischen Bibel zu finden ist, sondern im Kanon der christlichen Bibel. In den beiden Büchern der Makkabäer, die nur in ihrer griechischen Übersetzung erhalten geblieben sind und somit nicht zu den heiligen Schriften des Judentums zählen, wird erzählt, wie der militärische Anführer Judas Makkabaeus im Jahre 168 v. Chr. einen Aufstand gegen die damalige syrisch-hellenistische Besatzung begann. Ihm gelang es 164 v. Chr. den Tempel von Götzenbildern zu reinigen. Die (Wieder-)Einweihnung des Tempels (Hebräisch: חנוכה, gesprochen: chanukka) war ein Symbol für die Wiedererlangung nationaler Souveränität und Identität.

Altes zerstören!

Dieser Neuanfang begann auf Ruinen. Als die Makkabäer zum Tempel hinaufzogen,

[da] sahen sie das Heiligtum verödet daliegen. 1 Makkabäer 4,38

Ihre erste Reaktion ist sicht- und hörbare Erschütterung: Klageschreie und Trauerriten. Doch es folgt keine Schockstarre und kein frommes, aber untätiges Falten der Hände.

Er [Judas] wählte untadelige und gesetztreue Priester aus, die das Heiligtum reinigten … . 1 Makkabäer 4,42

Im Zentrum des damaligen Tempelkultes stand das täglich zu verrichtendem Brandopfer. Der Altar war der zentrale Ort der Kommunikation mit Gott. Doch er war überbaut mit einer Kultstätte für fremde Götter (siehe 1 Makkabäer 1,54). Somit war das Herzstück des Kultes entweiht. Gilt es das Alte, aber Entweihte zu bewahren oder muss eine Neuanfang die steinernen Säulen des Gegebenen niederschmettern? Die Makkabäer, deren Name sich von dem Hebräischen Wort für Hammer (מקבת, gesprochen: makkevet) ableitet, entscheiden sich für die Zerstörung als Neufanfang. Das heilige Konzept ist bedeutungsvoller als der kalte Stein. Auch wenn der Ort seine Heiligkeit nicht verloren hat, gibt es doch Momente, wenn es kein Zurück mehr gibt. Dann bleibt nur Ehre der Vergangenheit und Hoffnung für die Zukunft.

Es kam ihnen der gute Gedanke, ihn [den Altar] niederzureißen; denn er hätte ihnen Schande gebracht, da die fremden Völker ihn befleckt hatten. So rissen sie den Altar nieder und legten die Steine an einen passenden Ort auf dem Tempelberg nieder, bis ein Prophet komme und entscheide, was damit geschehen sollte. 1 Makkabäer 4,45-46

Ein neuer Brandopferaltar wird der Heilige Ort, an dem das Volk seinen Gott wieder lobpreist und anbetet. Nicht aus Ruinen, sondern an der Stelle von Ruinen ersteht Neues.

Tradition

In den Ruinen entstehen nicht nur neue Bauwerke. Der Neuanfang ist kein einmaliges Fest der (Wieder-)Einweihung des Tempels, sondern es entsteht eine neue Identität, die an die Vergangenheit anknüpft aber selbst Geschichte schreibt.

Sie setzten durch eine öffentliche Entschließung und Abstimmung fest, dass das ganze jüdische Volk jedes Jahr diese Tage festlich zu begehen habe. 2 Makkabäer 10,8

Tradition entsteht durch und in Geschichte. So kann selbst ein Neuanfang eine Tradition werden, die alte Identitäten stärkt. Im Falle von Chanukka entsteht diese Tradition als ein gemeinschaftlicher, demokratischer Akt.

Perspektive

Die in der christlichen Bibel überlieferte Geschichte von Chanukka sollte nicht nur dem Judentum, sondern auch dem Christentum ein Grund zum Feiern sein. Radikal lehrt sie, dass Tradition gemeinsam entschieden wird und dass ihr Inhalt aus einer Zerstörung erwachsen kann. Dort wo manche nur Ruinen sehen und der Vergangenheit hinterhertrauern, dort darf der Hammer geschwungen werden!

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Bildnachweis

Titelbild: Arbeit, Werkzeug, Lizenz: gemeinfrei.

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