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Wann ist ein Mann ein Mann? Bartwuchs und die Zugehörigkeit zum Volk Gottes


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Es ist Movember – Zeit sich einen Bart wachsen zu lassen und damit Gutes zu tun. „Movember“ ist kein misslungener nach Gehör schreibender Versuch den Namen des aktuellen Monats zu schreiben, sondern der Name einer Fundraising-Aktion, die 2003 das erste Mal in Australien begann. Weltweit lassen sich nun Männer Schnurrbärte (engl. moustache) im November wachsen. Damit soll Aufmerksamkeit auf die Gesundheit von Männern gerichtet – besonders auf die Vorsorge gegen Prostata- und Hodenkrebs – und Spenden gesammelt werden.1) Der Bart ist ein Symbol für Männlichkeit und zugleich heute unter anderem ein Markenzeichen von Islamisten und Hipstern. William Shakespeare schrieb einmal: „Wer einen Bart hat, ist mehr als ein Jüngling, und wer keinen hat, weniger als ein Mann.“2) Im Buch Levitikus ist er gar ein Kennzeichen für die Zugehörigkeit zum Gottesvolk.

Lasst den Bart wachsen!

Im Buch Levitikus werden im 19. Kapitel soziale, liturgische und ethische Einzelbestimmungen gegeben, deren Einhaltung Israel zu einer heiligen Gemeinde machen – dort heißt es in Vers 27:

Ihr sollt euer Kopfhaar nicht rundum abschneiden. Du sollst deinen Bart nicht stutzen. Levitikus 19,27

Die Wortwahl im Hebräischen ist bei diesem Verbot drastisch – wörtlich heißt es: Du sollst nicht verderben/vernichten/zerstören den Rand deines Bartes. Dass jeder gesunde, erwachsene Mann einen Bart trägt steht im Hintergrund dieses Gesetzes und das Verbot richtet sich gegen das Kürzen der Barthaare. Ein solches könnte gar als Beschneiden der Männlichkeit gesehen werden – so legte es zumindest der Kirchenvater Clemens von Alexandrien (150-215 n.Chr.) in seinem Werk Paidagogos aus:

„Dieses Kennzeichen des Mannes, der Bart, durch den sich einer als Mann erweist, ist älter als Eva und ist ein Sinnbild der stärkeren Natur.“3)

Er richtet sich mit dieser Aussage gegen die seiner Zeit verbreitete Enthaarung aus ästhetischen Gründen. Darum geht es jedoch nicht in dem im Buch Levitikus vorliegenden Gesetz, dessen Wichtigkeit dadurch betont wird, dass es zwei Kapitel später nochmals im Falle der Priester wiederholt wird:

Die Priester sollen sich auf ihrem Kopf keine Glatze scheren, ihren Bart nicht stutzen und an ihrem Körper keine Einschnitte machen. Levitikus 21,5

Im Falle der Priester ist das Gesetz technischer formuliert und wörtlich übersetzt, wird das Scheren der Bartränder verboten. In einer Erzählung im Buch Jeremia wird deutlich, dass das Scheren des Bartes ein Trauerritus ist (siehe Jeremia 41,5, vgl. auch Esra 9,3), der im Buch Jesaja auch für das Nachbarvolk Moab belegt ist:

Man ist zum Tempel hinaufgestiegen und Dibon zu den Kulthöhen, um zu weinen. Über Nebo und Medeba heult Moab. Auf all seinen Köpfen eine Glatze und jeder Bart ist abgeschnitten. Jesaja 15,2

Die Symbolik dieses Trauerritus deutet unter anderem daraufhin, dass im natürlichen Bartwuchs die Lebendigkeit des Menschen gesehen wurde, die durch das Rasieren des Bartes verneint wird. Zugleich weist ein Vergleich mit den damaligen Nachbarkulturen Babyloniens, Persiens und Syriens darauf hin, dass abgeschnittene Haupt- und Barthaare der Trauernden den Gräbern beigelegt wurden oder im Tempel geopfert wurden. Der Hintergrund des Verbotes im Buch Levitikus, dass Barthaar zu kürzen, lässt sich nicht vollends entschlüsseln. Vielleicht sollten damit nicht-israelitische Opfer- oder Trauerriten verboten werden, vielleicht steht im Hintergrund die Symbolik des Bartes als fortdauernd wachsende Lebenskraft des Mannes.

Die Schändung

Im Zweiten Buch Samuel ist der abgeschnittene Bart ein Symbol der Demütigung Als der König der Ammoniter stirbt, sendet David eine Gesandtschaft zum Thronnachfolger, um sein Beileid zu bekunden. Die Ammoniter vermuten dahinter jedoch einen Trick Davids, der nur das Land ausspionieren wolle.

Darauf ließ Hanun die Diener Davids festnehmen, ihnen die Hälfte des Bartes abscheren und ihnen die Kleider zur Hälfte abschneiden, bis zum Gesäß herauf. So schickte er sie weg. 2 Samuel 10,4

David deutet das Rasieren als Schändung, die seine Diener der Lächerlichkeit preisgibt:

Als man David das meldete, schickte er ihnen jemand entgegen und ließ ihnen, weil sie so schwer geschändet waren, sagen: Bleibt in Jericho und kehrt erst zurück, wenn euer Bart wieder gewachsen ist! 2 Samuel 10,5

Ein Zeichen

Im Buch Levitikus ist der Bartwuchs ein Zeichen der Zugehörigkeit zum Gottesvolk. Nur wer von Aussatz befallen ist, soll nach der Heiligung zum Zeichen der Reinheit unter anderem seinen Bart rasieren (siehe Levitikus 14,9). Heute ist die Bartrasur meistens irgendeinem Trend oder dem individuellen Geschmack unterworfen. Rituelle oder religiöse Bedeutung wird nur noch selten mit ihr verbunden. Aber auch ein Bart kann mehr als ein Modestatement sein, wie heute im positiven Sinne die Fundraising-Aktion Movember zeigt, in der der Bart zugleich Zeichen für Männlichkeit aber auch für männliche Verletzlichkeit ist.

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Bildnachweis

Titelbild: Bart, von pxhere. Lizenz: gemeinfrei.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Mehr dazu unter: https://de.movember.com/
2. Das Zitat stammt aus dem Stück „Viel Lärm um nichts“.
3. Paid III,3,19
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