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EkklesioInvest Unltd. Ein neutestamentlicher Essay über die Effizienz der Verschwendung


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Im Streben nach einer päpstlich verordneten Entweltlichung verfolgt die Kirche in der Verwendung weltlicher Mittel bisweilen offenkundig eigene Ziele. Der Umgang mit Geld, zumal mit nicht eigenem, ist schon in der Welt ein sensibles Geschäft. Wähnt man sich aber unterwegs im Auftrag des Herrn, gelten scheinbar immer noch eigene Gesetze. Das Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes verleiht da manch einem in der Selbsteinschätzung Flügel. Schließlich schreibt doch schon Paulus gegenüber der korinthischen Gemeinde angesichts eines Streites um den Umgang mit Geld1):

Gott aber ist es, der uns mit euch auf Christus hin stärkt und der uns gesalbt hat. Er hat uns auch sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil den Geist in unsere Herzen gegeben. 2 Korinther 1,21-22

Die Salbung und das Siegel des Heiligen Geistes sind für Paulus noch Garanten der wechselseitigen Verwiesenheit von ihm als Apostel bzw. Gründer der Gemeinde und der Gemeinde selbst. Die Gemeinschaft zwischen sich und der Gemeinde ist eine Herzensangelegenheit mit eschatologischer Bedeutung. Deshalb bezeichnet er den Geist Gottes als Anteil bzw. Angeld, als Vorauszahlung, deren endgültiger Profit sich im Angesicht Gottes offenbaren wird. So schreibt er an späterer Stelle im gleichen Schreiben mit Blick auf die innere Gesinnung aller am Konflikt Beteiligten:

Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat. 2 Korinther 5,10

Zahltag

Hier wie dort bemüht Paulus monetär geprägt Begriffe. In 2 Korinther 5,10 spricht er von κομίζειν (gesprochen: komízein), also wörtlich von dem, was man als Lohn davonträgt bzw. erlangt. Das Wort selbst beinhaltet in seiner Bildung das griechische Wort für Lohn, μισθός (gesprochen: misthós). In eben jenem eschatologischen Sinn begegnet das Wort μισθός bereits im 1. Korintherbrief:

Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau. Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein weiser Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: Das Werk eines jeden wird offenbar werden; denn der Tag wird es sichtbar machen, weil er sich mit Feuer offenbart. Und wie das Werk eines jeden beschaffen ist, wird das Feuer prüfen. Hält das Werk stand, das er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn (μισθός). Brennt es nieder, dann muss er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch. 1 Korinther 3,9-15

Pacta sunt servanda

Für das Angeld des Geistes in 2 Korinther 1,22 greift er auf den griechischen Begriff ἀρραβών (gesprochen: arrabón) zurück. Der Begriff selbst ist tief in der Rechts- und Geschäftssprache verankert und bezeichnet eine Anzahlung, die nicht nur einen Teil des Gesamtbetrages vorwegnimmt, sondern eben auch einen Rechtsanspruch auf die vereinbarte Gegenleistung erwirkt. Die Leistung der Anzahlung macht also einen Vertrag wirksam, auch wenn die vollständige Zahlung zu einem späteren Zeitpunkt fällig wird. Bemerkenswert ist, dass Paulus hier Gott als Schuldner ausweist, denn er ist es, der mit der Anzahlung des Geistes in eine Vorausleistung geht. Die Leistung, die nun der Apostel und die korinthische Gemeinde zu erbringen haben, besteht in der Vollendung der auf dem Apostelkonzil vereinbarten “Kollekte für die Armen” (vgl. Galater 2,10). Genau über diese Kollekte scheint es aber in Korinth zum Streit gekommen zu sein, weil Teile der Gemeinde dem Apostel wohl unlautere Absichten angesichts der Sammlung unterstellt hatten (vgl. 2 Korinther 2,5). So sieht Paulus sich genötigt in 2 Korinther 1-7 das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Gemeinde wieder auf eine gesicherte Basis zu stellen, bevor er in 2 Korinther 8-9 das Kollektenwerk neu begründet und die Gemeinde zu einem Neustart der Sammlung zu motivieren versucht. Am Zielpunkt seiner Argumentation schreibt er:

Dieser heilige Dienst füllt nicht nur die leeren Hände der Heiligen, sondern wird weiterwirken als vielfältiger Dank an Gott. Vom Zeugnis eines solchen Dienstes bewegt, werden sie Gott dafür preisen, dass ihr euch gehorsam zum Evangelium Christi bekannt und dass ihr ihnen und allen selbstlos geholfen habt. In ihrem Gebet für euch werden sie sich angesichts der übergroßen Gnade, die Gott euch geschenkt hat, eng mit euch verbunden fühlen. Dank sei Gott für sein unfassbares Geschenk! 2 Korinther 9,12-15

Hier kulminiert die Argumentation. Das “unfassbare Geschenk”, die “übergroße Gnade”, von der Paulus spricht, ist nichts anderes als jener Geist, den Gott den Korinthern als “Anzahlung” gegeben hat. Dabei bedeutet das Wort δωρεά (gesprochen: doreá, das die Einheitsübersetzung von 2016 mit “Geschenk” übersetzt, eher “Gabe”. Die Gabe des Geistes als Anzahlung ist eben nicht nur unverdientes Geschenk, sondern zugleich Auftrag. Die Trägerinnen und Träger des Geistes sind als Begeisterte in der Pflicht, den Geist wirksam werden zu lassen, mit ihm zu wuchern in Wort und Tat, ja, wenn es sein muss, sogar unter Einsatz des eigenen Vermögens für die Unterstützung der Armen und Schwachen. Das Ziel ist die Vermehrung des Dankes an Gott und damit der Verehrung Gottes – ein Aspekt, den Paulus schon zu Beginn des Schreibens ausgeführt hat:

Helft aber auch ihr, indem ihr für uns betet, damit viele Menschen in unserem Namen Dank sagen für die Gnade, die uns geschenkt wurde! 2 Korinther 1,11

Darum geht es letztlich bei allem Handeln derer, die sich – im Besitz des Geistes wähnend – auf den Auftrag Jesu berufen, das Evangelium in aller Welt zu verkünden. Auch der göttliche Bund ist letztlich ein Vertrag, bei dem Gott das Angeld längst gezahlt hat und jetzt die Gläubigen in der Pflicht sind, das Ihre zu tun.

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Adam - lebendig gemacht durch Einhauchung des Geistes und per Handschlag ins Leben geschickt. Geld spielte da noch keine Rolle. Dafür wurde auf beiden Seiten jede Menge Vertrauen riskiert.

Anvertrauen

Aus einem gezahlten Angeld des Geistes einen vielfältig sich vermehrenden Dank an Gott zu erwirtschaften, erfordert Tatkraft. Damit der Glaube wuchert, müssen die Verkünderinnen und Verkünder zu einem riskanten Geschäft bereit sein. So erzählt es Jesus selbst im sogenannten Gleichnis von den anvertrauten Talenten:

Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging. Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort ging der Diener, der die fünf Talente erhalten hatte hin, wirtschaftete mit ihnen und gewann noch fünf weitere dazu. Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei weitere dazu. Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn. Nach langer Zeit kehrte der Herr jener Diener zurück und hielt Abrechnung mit ihnen. Da kam der, der die fünf Talente erhalten hatte, brachte fünf weitere und sagte: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. Über Weniges warst du treu, über Vieles werde ich dich setzen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn! Dann kam der Diener, der zwei Talente erhalten hatte, und sagte: Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen. Sein Herr sagte zu ihm: Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. Über Weniges warst du treu, über Vieles werde ich dich setzen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn! Es kam aber auch der Diener, der das eine Talent erhalten hatte, und sagte: Herr, ich wusste, dass du ein strenger Mensch bist; du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Sieh her, hier hast du das Deine. Sein Herr antwortete und sprach zu ihm: Du bist ein schlechter und fauler Diener! Du hast gewusst, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe. Du hättest mein Geld auf die Bank bringen müssen, dann hätte ich es bei meiner Rückkehr mit Zinsen zurückerhalten. Nehmt ihm also das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein. Matthäus 25,14-30

Außer im Matthäusevangelium findet sich das Gleichnis in einer Variante noch bei Lukas 19,12-272). Die Tatsache, dass das Gleichnis sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas überliefert, nicht aber im Markusevangelium zu finden ist, deutet im synoptischen Vergleich darauf hin, dass es aus der Logienquelle Q stammt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Kernbestand auf Jesus selbst zurückgeht, ist damit sehr hoch. Gerd Theißen und Annette Merz gehen dabei von einer gewissen Vertrautheit Jesu mit Bankgeschäften aus, die er sich biographisch in Sepphoris erworben haben könnte – einer zu seinen Lebzeiten von Herodes Antipas ursprünglich als Kapitale neu aufgebauten Stadt, die nur 6 Kilometer von Nazareth entfernt lag3).

Gerade weil Jesus mit dem Umgang mit Geld grundlegend vertraut war, verwundert die Erzählebene. Zuerst ist festzuhalten, dass es sich bei einem Talent um eine Gewichtseinheit handelt. Sie bezeichnet in etwa die Traglast eines Mannes, umgerechnet etwa 59 Kilogramm. Als Währungseinheit wird das Talent in Aufwägen von Silber angewendet. Hierauf spielt Jesus im Gleichnis an, wenn von “Silbergeld” die Rede ist. Die anvertrauten fünf Talente entsprechen also nahezu 300 Kilogramm Silber, die zwei Talente, etwa 118 Kilogramm Silber, das eine Talent 59 Kilogramm Silber. In jedem Fall handelt es sich also um erhebliche Summen, die der Hausherr seinen Diener jeweils anvertraut.

Wirtschaftswunder

Auf den ersten Blick erwähnt das Gleichnis keine weiteren Aufträge seitens des Hausherrn. Gleichwohl wird erwähnt, dass er die Stückelung auf die drei Diener je nach den jeweiligen Fähigkeiten vornahm. Der griechische Text spricht hier von ἰδία δύναμις (gesprochen: idía dynamis). Δύναμις (gesprochen: dynamis) verwenden die Evangelisten auch, wenn sie von den Machterweisen Jesu sprechen. Es handelt es also um macht- und kraftvolle Fähigkeiten. Offenkundig vertraut der Hausherr, was den Umgang mit Geld angeht, eben auf solche besonderen Fähigkeiten seiner Diener. Und das Wunder der wundersamen Geldvermehrung tritt ein – zumindest bei zweien der Diener. Sie verdoppeln den anvertrauten Betrag, während der dritte Diener das Geld einfach vergräbt.

Wie kann man einen eingesetzten Betrag verdoppeln? Das Gleichnis erzählt zwar von einer langen Reise. Trotzdem braucht man wohl auch im zeitgenössischen Israel Jesu mit seriösen und konservativen Methoden wohl eine sehr, sehr lange Zeit, bis sich ein eingesetzter Betrag mit Zins und Zinseszins verzweifacht4). Tatsächlich müssen die beiden ersten Diener auch einen anderen Weg eingeschlagen haben, denn der Hausherr ermahnt den dritten Diener ja, dass er das Geld wenigstens auf die Bank hätte bringen können, damit es Zinsen gebracht hätte.

Die beiden ersten Diener müssen also mit dem anvertrauten Geld im wahrsten Sinn des Wortes mit Bereitschaft zu hohem Risiko gewuchert haben. Anders ist der überreiche Ertrag nicht zu erklären. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten ist damit angesichts der Verurteilung des dritten, ängstlichen Dieners nicht anders als Aufforderung zu hochriskantem Handeln zu begreifen.

Verkündigung als Hochrisikogeschäft

Nun liest sich diese Deutung des Gleichnisses vom anvertrauten Geld angesichts der Ereignisse in den (Erz-)Bistümern Eichstätt5), Hamburg6), Trier, Essen und anderswo geradezu als Freibrief für einen libertinären Umgang mit anvertrautem Geld – sei es, dass Kirchenvertreter dem Geldrausch folgend ihr Glück in finistren Geldanlagen suchen, sei es, dass man das noch vorhandenen mobile Kapital gegen den Bankrott absichert, indem man Immobilien niederlegt, wie der Abriss von Kirchen im euphemistischen Kirchenbeamtensprech heißt7). Bedeutet aber die Niederlegung nichts anderes als das Vergraben von Talenten? Und spricht Jesus hier nicht in einem Gleichnis und eben nicht als Finanzberater der galiläischen Volksbank? Das Wörtchen “wie” in Matthäus 25,14 deutet doch darauf hin, dass es um viel mehr geht.

Die das Gleichnis einleitende Wendung ὥσπερ γάρ (gesprochen: hósper gár) weist auf den vorangegangenen Abschnitt zurück: “Denn es ist wie mit einem Menschen”. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten führt das vorangegangene fort, erläutert und erschließt es. Voran aber steht bei Matthäus das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen (Matthäus 25,1-13), bei Lukas die Erzählung der Einkehr Jesu beim Zöllner Zachäus (Lukas 19,1-10). Redaktionskritisch gesehen platzieren Matthäus und Lukas das Gleichnis von den anvertrauten Talenten also alles andere als zufällig.

In beiden Fällen wird von einer fundamentalen Entscheidung berichtet. Im matthäischen Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen haben die törichten Jungfrauen es verpasst, beizeiten vorzusorgen, um bereit zu sein für die Ankunft des Bräutigams. In der lukanischen Erzählung von der Einkehr Jesu beim Zöllner Zachäus ist es dessen schlussendliche Entscheidung, sein Hab und Gut im Übermaß an die zurückzugeben, denen er es widerrechtlich zum eigenen Vorteil abgenommen hat:

Zachäus aber wandte sich an den Herrn und sagte: Siehe, Herr, die Hälfte meines Vermögens gebe ich den Armen, und wenn ich von jemandem zu viel gefordert habe, gebe ich ihm das Vierfache zurück. Lukas 19,8

Wer es den Betrogenen so heimzahlt, der ist anschließend pleite. Für ihn bleibt nichts mehr übrig – außer eine Verheißung:

Da sagte Jesus zu ihm: Heute ist diesem Haus Heil geschenkt worden, weil auch dieser Mann ein Sohn Abrahams ist. Denn der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist. Lukas 19,9-10

Für diese Verheißung setzt Zachäus sein ganzes Hab und Gut aufs Spiel – und auch die klugen Jungfrauen dürften den Ölvorrat teuer bezahlt haben. Sie haben alles eingesetzt, ihr ganzes Hab und Gut, nicht für einen monetären Profit, sondern für eine Verheißung!

Kirche ohne Verheißung

Ist nicht genau das das eigentliche Problem der Kirche der Gegenwart? Zeugt das Niederlegen von Kirchen und die Schließung von Schulen aus vorauseilendem buchhalterischen Gehorsam nicht von einer mutlosen Selbstmarginalisierung? Traut die Kirche der Gegenwart nicht mehr dem Wort des Herrn, der im Lukasevangelium dem fragenden Petrus eine Verheißung entgegenhält?

Da sagte Petrus: Siehe, was wir besaßen, haben wir verlassen und sind dir nachgefolgt. Jesus antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Jeder, der um des Reiches Gottes willen Haus oder Frau, Brüder, Eltern oder Kinder verlassen hat, erhält dafür schon in dieser Zeit das Vielfache und in der kommenden Welt das ewige Leben. Lukas 18,28-30

Verkündigung ist ein Wuchergeschäft

Das Wort Jesu zeigt, dass das Kapital der Kirche die Verkünderinnen und Verkünder sind. Geld ist nur – Geld … Und das muss bisweilen verschwendet werden – und zwar zum Lobe Gottes:

Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch einer von seinen Jüngern, Judas Iskariot, der ihn später auslieferte, sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben? Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte. Jesus jedoch sagte: Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt! Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer. Johannes 12,1-88)

Der Buchhalter Jesu, Judas Ischarioth, begreift nicht, dass es in der Verkündigung eben nicht nur ums Geld geht. Um Geld aber, wahrscheinlich um die Jüngerkasse zu füllen und Jesus zum Handeln zu drängen, wird er ihn später verraten. Die Buchhalter sind immer in der Gefahr, das Gute zu wollen und den Reichtum der Kirche zu sichern und zu mehren, aber den wahren Reichtum der Kirche, die Vermehrung des Dankes an Gott, zu übersehen.

Die Vermehrung des Dankes an Gott aber ist seit Paulus’ Zeiten das Geschäft der Verkünderinnen und Verkünder. Es ist ein Geschäft, das den Einsatz der ganzen Person verlangt. Es ist ein hochriskanter Einsatz, bei dem Rückschläge in Kauf zu nehmen sind. Aber auch hier gilt doch die Verheißung Jesu:

Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn (μισθός) wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt. Matthäus 5,11-12

In diesem Sinn ist Verkündigung tatsächlich ein Wuchergeschäft, bei dem die Verkünderinnen und Verkünder mit ihren Fähigkeiten und dem, was sie haben, wuchern müssen.

Die Effizienz der Verschwendung

Wider alle wirtschaftliche Vernunft gilt da die Effizienz der Verschwendung, wie Jesus sie selbst im Sämanns-Gleichnis predigt:

Hört! Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat und sie brachte keine Frucht. Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht; die Saat ging auf und wuchs empor und trug dreißigfach, sechzigfach und hundertfach. Und Jesus sprach: Wer Ohren hat zum Hören, der höre! Markus 4,3-9

Der Sämann, von dem hier die Rede ist, handelt auf den ersten Blick ineffizient. Er verschwendet viel zu viel Saatgut, das verloren geht. Und doch ist es gerade diese Verschwendung, die sich letzten Endes in der überreichen Ernte als effizient erweist. Anders geht es nicht. Damit die Ernte wuchert, muss riskant gesät werden!

Volk Gottes, höre die Signale!

Wer Kirchen niederlegt, vergräbt das Talent vieler. Wer Schulen schließt, lässt den zur Aussaat bereitliegenden Acker brach liegen. Wer nur auf die wundersame Geldvermehrung schielt, erliegt der Versuchung, selbst Wunder wirken zu können. Die Versuchung Jesu selbst wird ihm dereinst zum Spiegel:

Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Matthäus 3,3-4

Der Schatz der Kirche sind die Menschen. Die Anlagemethode ist die Verkündigung. Die Kirche hat aber aufgehört, ohne Unterlass und ohne falsche Begrenzung zu verkünden. EkklesioInvest Unltd. hat geschlossen. Man denkt jetzt zuerst ans Geld. Die Zeit der Propheten aber hat schon begonnen, die Zeit derer, die rufen:

Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium! Markus 1,15

Mammon darf nicht siegen. Wir hingegen sollen nicht uns selbst, sondern allein Christus als den Herrn verkünden (vgl. 2 Korinther 4,5). Fürchtet euch nicht! Ihr habt das Angeld des Geistes doch auch erhalten …

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Bildnachweis

Titelbild: Gras (TambiraPhotography) – Quelle: pixabay – lizenziert als CCO.

Bild 1: Die Erschaffung Adams (Michelangelo – Foto: Jörg Bittner) – Quelle: Wikicommons – lizenziert als CC BY 3.0.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Zum konfliktiven Hintergrund des Briefes 2 Korinther 1-9 siehe Werner Kleine, Zwischen Furcht und Hoffnung. Eine textlinguistische Untersuchung des Briefes 2 Kor 1-9 zur wechselseitigen Bedeutsamkeit der Beziehung von Apostel und Gemeinde, BBB 141, Berlin 2002, S. 54-56 sowie hier im biblischen Weblog Dei Verbum den Abschnitt “Transparenz und Kontrolle” des Beitrags “Der Umgang mit Geld und das Neue Testament” von Werner Kleine (Quelle: http://www.dei-verbum.de/der-umgang-mit-geld-und-das-neue-testament/#scrollNav-2 [Stand: 25. Februar 2018]).
2. Siehe hierzu auch http://www.dei-verbum.de/geld-will-sich-vermehren/ [Stand 26. Februar 2018].
3. Vgl. hierzu Gerd Theißen/Annette Merz, Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, Göttingen 1997, S. 159.
4. Gegenwärtig würde bei einem Zinssatz von 1% die Verdoppelung eines eingesetzten Beitrages fast 70 Jahre benötigen.
5. Vgl. hierzu etwa das Deutschlandfunk-Interview mit Daniel Deckers vom 7.2.2018, Quelle: http://www.deutschlandfunk.de/kirchenfinanzen-in-eichstaett-dilettanten-und-kriminelle.886.de.html?dram:article_id=410167 [Stand: 25. Februar 2018].
6. Vgl. hierzu den bei aller Vorsicht gegenüber der Seriosität der Plattform “Tichys Einblick” informativen und grundsätzlich differenzierten Beitrag “Spielt das Bistum mit erdachten Zahlen?” – Quelle: http://www.tichyseinblick.de/meinungen/spielt-das-bistum-mit-erdachten-zahlen/ [Stand: 25. Februar 2018].
7. Vgl. hierzu die Kontroverse auf Dei Verbum zwischen Till Magnus Steiner, Abriss und und Aufbau (Quelle: http://www.dei-verbum.de/abriss-und-aufbau/ [Stand: 26. Februar 2018]) und Werner Kleine, Ein Lob auf den Kirchturm (Quelle: http://www.dei-verbum.de/ein-lob-auf-den-kirchturm/ [Stand: 26. Februar 2018]).
8. Vgl. hierzu auch die Überlieferung in der synoptischen Tradition Markus 14,3-9parr.
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