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Ein Geschenk, das ungerecht ist Bestechung aus alttestamentlicher Perspektive


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In Hamburg gab es am Mittwoch eine Razzia aufgrund des Vorwurfes der Bestechlichkeit eines Bezirksamtsmitarbeiters.1) In Berlin sollen drei Ärzte Schmiergelder angenommen haben, und gegen die Zahlung von bis zu 300 Euro pro Sterbefall, Leichen an einen Bestatter vermittelt haben.2) In Osnabrück ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Onkologen wegen Korruption: Sie sollen von Pharmaunternehmen Zuwendungen erhalten haben, um nur deren Medikamente zu verschreiben.3) In der vergangenen Woche hat sich mal wieder gezeigt, dass das Ideal der preußischen Unbestechlichkeit doch nur ein Traumbild ist. Korruption und Bestechlichkeit gehörten schon in biblischen Zeiten zum Alltag der Menschen.

Das deutsche Fremdwort „Korruption“ leitet sich vom lateinischen Wort corruptio ab, das mit „Verderbnis“ und „Verdorbenheit“ übersetzt werden kann. Der hebräische Begriff für Bestechung hingegen beinhaltet kein Werturteil, sondern beschreibt wertneutral eine Handlungsweise, mit der eine andere Person durch Gewährung oder durch Versprechen von Vorteilen beeinflusst wird. Das hebräische Wort שחד (gesprochen schochad) bezeichnet sowohl ein Geschenk als auch die Bestechung. Bestechung ist ein absichtsvolles Schenken. Genaugenommen ist es die Vergabe von materiellen oder sonstigen Gütern an einen Amtsträger im Sinne des „do ut des“ (dt. „ich gebe, damit du gibst“).

Gegen die Gerechtigkeit

Unabhängig von der Etymologie ist aber auch in der Zeit des Alten Testaments Bestechung kein positiv bewerteter Akt:

Du sollst dich nicht bestechen lassen; denn Bestechung macht Sehende blind und verkehrt die Sache derer, die im Recht sind. Exodus 23,8

Solche Geschenke trüben die klare Einsicht des Menschen, das Recht verschwimmt vor den Augen und Gerechtigkeit erscheint plötzlich in einem ungünstige Licht. Derjenige, der sich bestechen lässt, missbraucht seine eigene Machtposition, die eigentlich der Gerechtigkeit und nicht dem eigenen Vorteil dienen soll. Bestechung ist ein Anzeichen des Werteverfalls in einer Gesellschaft, den der Prophet Micha in seiner Zeit mit folgenden Worten beklagt:

Verschwunden sind die Treuen im Land, kein Redlicher ist mehr unter den Menschen. […] Sie tun das Böse und lassen sich’s gut gehen: Der Beamte – er fordert und der Richter – um Bezahlung. Und der Große entscheidet nach seiner Habgier. So verdrehen sie das Recht. Micha 7,2-3

Amtsträger sollen nicht bestechlich sein, sondern sich an Gott selbst ein Vorbild nehmen, der als höchster Richter unbestechlich ist:

Denn der HERR, euer Gott, ist der Gott über den Göttern und der Herr über den Herren. Er ist der große Gott, der Held und der Furchterregende. Er lässt kein Ansehen gelten und nimmt keine Bestechung an. Deuteronomium 10,17

Intention und Konsequenz

Das höchste Ideal ist die Unbestechlichkeit. Daher verwundert es, dass das alttestamentliche Gesetz die Korruption mit keiner Strafe belegt. Sondern im Buch der Sprichwörter wird der Leser mit einer positiven Würdigung der Korruption überrascht:

Ein Geschenk schafft dem Menschen Raum und geleitet ihn vor die Großen. Sprichwörter 18,16

Aus dieser Perspektive ist ein Geschenk aufgrund des dahinterstehenden Ziels zu beurteilen. Ein Geschenk ist ein Türöffner, wenn es kein Unrecht gegenüber einem anderen Menschen bedeutet. Der Unterschied zwischen einem Geschenk und einer Bestechung ist die Öffentlichkeit der Handlung und die Intention:

Bestechung aus dem Gewandbausch nimmt der Frevler an, um die Pfade des Rechts zu verkehren. Sprichwörter 17,23

Auch wenn im Alten Testament keine juristische Strafe für Bestechung und Bestechlichkeit vorgesehen ist, verweist das Sprichwörterbuch doch auf die innerweltlichen Konsequenzen:

Wer unrechten Gewinn macht, zerstört sein Haus, wer Bestechung von sich weist, wird lange leben. Sprichwörter 15,27

Und der Prophet Jesaja sichert dem Unbestechlichen Gottes Segen zu:

Wer in Gerechtigkeit geht und die Wahrheit sagt, der es ablehnt, Gewinn zu erpressen, wer sich dagegen wehrt, Bestechung anzunehmen […]: der wird auf Höhen wohnen, Felsenburgen sind seine Zuflucht; sein Brot wird gegeben, seine Wasserquellen sind gesichert. Jesaja 33,15

Damals und heute

Anders als in der Zeit des Alten Testaments gibt es in Deutschland klare Gesetze gegen Korruption. Im Alten Testament findet sich zwar kein Gesetz gegen Bestechung und Bestechlichkeit, aber der keinen Widerspruch duldende Imperativ: „Du sollst keine Bestechung annehmen“. Eine Bestechung bedeutet, Recht und Gerechtigkeit durch ein Geschenk zu beugen und dies widerspricht dem von Gott vorgegeben Ideal des unbestechlichen Herren. Die Propheten des Alten Testaments beklagen vor allem die Bestechlichkeit der Richter, die zur Unterdrückung der Armen führte.
Heute ist die Korruption in der Gesellschaft „effektiv, attraktiv und lukrativ”, sagt Korruptionsexperte Wolfgang Schaupensteiner.4) Das Bundeskriminalamt geht davon aus, dass jährlich 100 Millionen Euro Bestechungsgelder in Deutschland fließen. Für das Jahr 2014 wird von einem wirtschaftlichen Schaden durch Korruption von mindestens 358 Millionen Euro ausgegangen. Damals wie heute gilt:

Bestechung verdirbt den Verstand. Kohelet 7,7

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Bildnachweis

Titelbild: Handshake, von pxhere. Lizenz: gemeinfrei.

Einzelnachweis   [ + ]

1. Es geht um Bestechung Razzia im Bezirksamt Nord!“, Thomas Hirschbiegel, Hamburger Morgenpost, 15.11.2017 [Stand: 17. November 2017].
2. Korruption: Berliner Ärzte sollen für die Vermittlung von Leichen kassieren“, Berliner Zeitung, 16.11.2017 [Stand: 17.11.2017].
3. Bestechung? – Razzia bei Krebsärzten“, Petra Herterich, NWZ Online, 17.11.2017 [Stand: 17. November 2017].
4. Wie korrupt ist Deutschland?“, ZDFZeit, 14.09.2017 [Stand: 17.11.2017].
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